Bern – Zum 22. Mal in Folge seit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr 1996 müssen die Krankenkassenprämien angehoben werden. Der Anstieg um 4,0% entspricht der Verteuerung der letzten Jahre. Wie immer fällt die Kritik harsch aus.
1996 betrug die Durchschnittsprämie für Erwachsene gerade mal 173 CHF. Mit 447 CHF für das laufende Jahr verdoppelte sich die Anfangsprämie innerhalb von 20 Jahren. Nächstes Jahr klettert die Durchschnittsprämie um weitere 4,0% auf 465 CHF.
Die 4,0% gelten für die Standardprämie, das heisst für die obligatorische Krankenpflegeversicherung einer erwachsenen Person mit 300 CHF Franchise und Unfalldeckung. Mit 4,0% liegt der jüngste Prämienanstieg über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre, der 3,7% betrug.
Durchschnittlicher Anstieg von 4,6% im Jahr
Seit 1996 musste durchschnittlich jedes Jahr ein Anstieg 4,6% in Kauf genommen werden. Für das laufende Jahr 2016 verteuerten sich die Prämien um 4,5%. Bei den Prämien 2015 und 2016 hatte der Anstieg wie für nächstes Jahr 4,0% betragen.
Prämien für Kinder steigen überdurchschnittlich
Mit 5,0% steigen die Prämien für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren nächstes Jahr überdurchschnittlich. Schon für dieses Jahr waren die Kinderprämien stärker angehoben worden, als jene der Erwachsenen.
Die stärkere Erhöhung der Kinderprämien ist eine Folge davon, dass die Prämien in den letzten Jahren die Kosten nicht mehr zu decken vermochten. Junge Erwachsene im Alter zwischen 19 und 25 Jahren müssen 2018 mit einer durchschnittlich um 4,4% höheren Prämie rechnen.
Vier Kantone in der Romandie stark betroffen
Die Erhöhung der Erwachsenen-Prämien variiert je nach Kanton zwischen 1,6 und 6,4%. Besonders hart trifft es die Prämienzahler in der Romandie. Die Westschweizer Kantone Waadt (6,4%), Wallis (5,9%), Neuenburg (5,4%) und Genf (5,4%) sind Spitzenreiter, was die Erhöhung betrifft.
Am geringsten ist der durchschnittliche Prämienanstieg in den Kantonen Schwyz (1,6%), Uri (1,8%), Appenzell Innerrhoden, Glarus und Nidwalden (je 1,9%).
Einsparungen von 470 Mio Franken
Ohne die Anpassungen des Bundesrates beim Ärztetarif Tarmed wären die Krankenkassenprämien noch stärker gestiegen, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Donnerstag vor den Medien. Die Standardprämie hätte im Schnitt um mindestens 5% aufgeschlagen. Der Entscheid des Bundesrates, per 1. Januar 2018 den Ärztetarif Tarmed anzupassen, soll Einsparungen von 470 Millionen CHF bringen. Die Versicherer haben diese Tarifanpassungen bei der Berechnung der Prämien 2018 berücksichtigt.
Die für die Umsetzung von Versicherern gebildete Medizinaltarif-Kommission (MTK) zweifelt allerdings daran, dass die neue Tarifstruktur auf Anfang 2018 in Kraft gesetzt werden kann. Die Umsetzung dauert gemäss MTK voraussichtlich bis Ende März 2018. Tritt diese Situation ein, fiele ein Teil des Sparpotenzials weg. Damit würden auch die definierten Prämien nicht mehr kostendeckend.
1% hinauf, 1% hinunter
Bei der Festlegung der Prämien wirkte neben der Anpassung des Ärztetarifs Tarmed ein weiterer Mechanismus mit. Dieser gleicht die mit dem Bundesratsentscheid erzielten Einsparungen praktisch aus. Bei einigen Versicherern waren die Reserven unter das vorgeschriebene Minimum gesunken. Mit einem Teil der diesjährigen Prämienerhöhung werden die Reserven wieder aufgebaut.
Bei anderen Versicherern besteht ein Aufholbedarf bei den Prämien, damit diese wieder kostendeckend sind. Die Auswirkungen dieser beiden Effekte auf die Prämien sind je nach Krankenversicherer und Kanton unterschiedlich und betragen durchschnittlich rund 1%.
Unterschiedliche Sichtweisen
Wie jedes Jahr bei der Bekanntgabe der Krankenkassenprämien hagelte es aus dem Kreis der Akteure im Gesundheitswesen und aus der Politik harsche Kritik am System. Je nach Blickwinkel sind Fehlanreize, das fragwürdige Finanzierungssystem, kontraproduktive Tarifeingriffe, die medizinische Überversorgung, der starke Einfluss von Interessengruppen und ein mangelhaftes Qualitätsmanagement schuld an der Misere.
Die Kosten im Gesundheitswesen nehmen aufgrund der demographischen Entwicklung, des medizinisch-technischen Fortschritts sowie des Mengenwachstums zu, stellte demgegenüber das Bundesamt für Gesundheit fest. (awp/mc/pg)