Bern – Die Wiederwahl von Bundesanwalt Michael Lauber wird auf Herbst verschoben. Die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung hat am Mittwoch einstimmig beschlossen, noch keinen Antrag zur Wiederwahl zu stellen.
Als Grund nannte Kommissionspräsident Jean-Paul Gschwind (CVP/JU) vor den Bundeshausmedien die laufende Disziplinaruntersuchung. Diese hatte die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) vergangene Woche gegen den Bundesanwalt eröffnet. Lauber reichte seinerseits eine Aufsichtseingabe gegen die AB-BA bei den Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK) ein.
Die GPK hatten den Bundesanwalt Anfang Woche angehört. Die Gerichtskommission habe nicht alle Protokolle zu dieser Anhörung erhalten, sagte Gschwind. «Die Gerichtskommission will nicht in der Hast entschieden.» Sie habe deshalb einstimmig beschlossen, den Entscheid über die Wahlempfehlung zu verschieben. Die Wiederwahl Laubers wäre in der Sommersession vorgesehen gewesen.
Kein Misstrauensvotum
Es handle sich nicht um ein Misstrauensvotum gegen den Bundesanwalt, sagte Matthias Aebischer (SP/BE), der die zuständige Subkommission präsidiert. Der Entscheid habe auch nicht direkt mit der Untersuchung zu tun. Die Kommission wolle bloss «nichts überstürzen in dieser aufgeheizten Situation».
Die Gerichtskommission hat zwei weitere Sitzungstermine vor der Herbstsession. Wenn nötig, kann sie laut Aebischer weitere Sitzungen durchführen. Um sicherzustellen, dass sie dann bessere Entscheidungsgrundlagen hat, verlangte die Kommission von der AB-BA für den Herbst einen Zwischenbericht zur Disziplinaruntersuchung.
Das Endergebnis der Untersuchung will sie laut Aebischer nicht zwingend abwarten. Es sei möglich, dass die Disziplinaruntersuchung ein Jahr dauere. «Wir wollen uns nicht in Zugzwang setzen lassen.»
Die Bundesanwaltschaft nahm vom Entscheid der Gerichtskommission Kenntnis, wie sie in einer Stellungnahme schreibt. Sie stehe den zuständigen Gremien weiterhin vollumfänglich für alle Abklärungen und offenen Fragen zur Verfügung. Auch mit der AB-BA will der Bundesanwalt «im rechtlichen Rahmen der Aufsichtstätigkeit» zusammenarbeiten.
Laubers Gedächtnislücken
Hintergrund der aufgeschobenen Wahlempfehlung sind nicht dokumentierte informelle Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino. Im Raum steht auch der Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung, weil unbeteiligte Dritte an den Treffen teilnahmen.
Gegenüber der Aufsichtsbehörde hatte Lauber zudem nur zwei Treffen im Jahr 2016 angegeben. Später räumte er ein, dass es 2017 wohl ein drittes Treffen gegeben habe. Er machte aber geltend, sich nicht an dieses zu erinnern. Nach Angaben der GPK gibt es derzeit keine Anhaltspunkte, dass der Bundesanwalt diesbezüglich bewusst nicht die Wahrheit gesagt hätte.
Die nicht protokollierten Treffen könnten zu Verzögerungen in den Verfahren führen. Laut GPK wurden im Zusammenhang mit laufenden Fifa-Verfahren bereits mehrere Ausstandsbegehren gegen den Bundesanwalt und verfahrensführende Staatsanwälte vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona gestellt.
Gegenangriff des Bundesanwalts
Trotz der vielen offenen Fragen hält Lauber an seiner Kandidatur für eine dritte Amtszeit fest. Am Freitag hatte er die AB-BA scharf angegriffen. Lauber sprach im Zusammenhang mit der Disziplinaruntersuchung von einer «institutionellen Krise» und von einem «Eingriff in die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft». (awp/mc/pg)