Jositsch bringt SP-Fraktion mit seinem Kandidaturwunsch in Zugzwang
Bern / Zürich – Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch will von seiner Fraktion die Chance erhalten, Nachfolger von Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu werden. Er plädiert statt einem weiblichen Zweierticket für eine Auswahl von zwei Frauen und einem Mann. Alles andere sei ungerecht.
Er wisse um die Bedeutung der Gleichstellung für die SP, und er teile das Anliegen, im Bundesrat eine Vertretung beider Geschlechter anzustreben, sagte Jositsch am Dienstag in Bern vor den Medien. Aber einem Siebnergremium, in dem die SP zwei Vertreter habe, sei es nicht einfach, das lückenlos durchzuziehen. «Es braucht eine gewisse Flexibilität.»
Er habe von Anfang opponiert gegen den Antrag der Parteispitze, lediglich Kandidaturen von Frauen zuzulassen, so Jositsch. Von der Verfassung her seien alle Geschlechter gleich. Jemanden auszuschliessen, sei nicht die Absicht der Gleichstellung und ungerecht. Es sei noch nie vorgekommen, dass jemandem in der Fraktion verboten worden sei, zu kandidieren.
«Ich kann sehr gut ohne Bundesratsamt leben»
Die Fraktion entscheidet am 18. und 19. November über die Kriterien der SP-Kandidatur, am 21. November läuft die Meldefrist ab. Am 26. November stellt die SP dann ihr Ticket zuhanden der Vereinigten Bundesversammlung vor. «Mein Ziel ist es, von der Fraktion zugelassen und nominiert zu werden», sagte Jositsch.
Wenn die Fraktion entscheide, dass seine Kandidatur zugelassen werde, ihm dann aber zwei Frauen vorgezogen würden, dann akzeptiere er das bedingungslos, so Jositsch weiter. In einem solchen Fall würde er eine – unwahrscheinliche – Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung nicht annehmen.
Wenn er parteiintern jedoch vom Rennen ausgeschlossen würde, dann könne er die Situation nicht einfach so akzeptieren. «Dann würde ich die Situation nach Rücksprache mit der Partei- und Fraktionsleitung evaluieren.» Ein Parteiaustritt deswegen sei jedoch kein Thema. «Ich bin nicht verzweifelt und kann sehr gut ohne Bundesratsamt leben.»
SP-Spitze verteidigt ihren Entscheid
Mit seinem Interesse, Bundesratskandidat zu sein, wolle er keine schwierige Situation für die Parteileitung kreieren, betonte Jositsch. Er wolle lediglich die Diskussion lancieren über eine «sinnvolle Gleichstellung». Es gehe schliesslich auch um verfassungsrechtliche Aspekte.
Am vergangenen Wochenende hatte das Co-Präsidium von Mattea Meyer und Cédric Wermuth die Strategie der SP verteidigt, zwei Frauen auf die Kandidierendenliste zu setzen. Die SP wolle mit einem Mann und einer Frau in der Regierung vertreten sein, wie es seit den 1990er-Jahren immer der Fall gewesen sei, sagte Meyer in einem Interview mit der «SonntagsZeitung».
Am Dienstag nahm die Parteileitung keine Stellung zur Causa Jositsch. Man kommentiere nicht einzelne Kandidaturen oder Absagen, sagte eine SP-Sprecherin auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Bisher hat sich jedoch noch keine SP-Politikerin klar dazu bekannt, dass sie kandidieren will. Im Gespräch sind jedoch mehrere. Als eine Favoritin für Sommarugas Nachfolge sehen Medien und Politologen die Basler Ständerätin Eva Herzog. Sie will sich am Donnerstag zu einer allfälligen Kandidatur äussern.
Erfahrung und Nervenkostüm
Laut dem Zürcher Ständerat Daniel Jositsch ist das Amt des Bundesrats spannend und herausfordernd. Er sei überzeugt, dass er es gut machen würde. Er verfüge über zeitliche Disponibilität und den Willen, zu gestalten, sagte Jositsch zu seiner Kandidatur.
Als künftige Kernthemen für den Bundesrat erwähnte Jositsch die Sicherung der Sozialwerke, die Sicherheitsfrage im europäischen Kontext, die wirtschaftliche Situation sowie die Sicherung des Forschungsplatzes. Weiter würde er sich in der Regierung für eine «menschenwürdige, von der Bevölkerung getragene Migrationspolitik» einsetzen.
Für ihn als Bundesrat spreche seine breite Erfahrung aus fast vier Amtszeiten im Bundeshaus. Auch verfüge er über berufliche Erfahrungen, die für das Amt wertvoll sein könnten. «Und ich habe ein gutes Nervenkostüm, um in schwierigen Situationen meinen Kurs einigermassen halten zu können», schloss Jositsch.
Politiker am rechten SP-Flügel
Jositsch sitzt seit 2015 für Zürich im Ständerat. Zuvor war der 57-Jährige acht Jahre lang Mitglied des Nationalrats. Jositsch ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich.
Er ist Vertreter des rechten Flügels der SP. 2017 stellte Jositsch eine sozialliberale Plattform innerhalb der SP vor. Aufgewachsen ist Jositsch in der Stadt Zürich und im Limmattal. Er ist geschieden und Vater eines Sohnes. (awp/mc/ps)