Die grüne Punktionsnadel im Vordergrund wird eingesetzt, um Blutstammzellen aus dem Knochenmark des Beckenknochens zu gewinnen. Der Arzt saugt dabei etwa einen Liter Knochenmark ab und isoliert daraus die Blutstammzellen. (Bild: Donata Ettlin)
Zürich – Aus einer Stammzelle kann sich ein ganzer Mensch entwickeln – Stammzellen sind die Alleskönnerinnen unter den Zellen. Wie sie uns Menschen, aber auch Tiere und Pflanzen ständig erneuern oder nach Verletzungen heilen, zeigt die neue Sonderausstellung im Zoologischen Museum der Universität Zürich. Beleuchtet wird, wie Stammzellen heute in der Medizin genutzt werden und mit welchen Herausforderungen sich die Stammzellforschung konfrontiert sieht. Interessierte können die Ausstellung «Stammzellen – Ursprung des Lebens» ab Dienstag, 10. März, besuchen.
Selbst wenn er ein Bein verliert, ist das halb so schlimm, denn innerhalb von Wochen wächst ein neues nach. Axolotl – ein mexikanischer Lurch – ist ein Meister der Regeneration, der auch sein Gehirn erneuern kann. Ganze Extremitäten oder Organe nachwachsen lassen wie einige Tiere können wir Menschen nicht, doch auch unser Körper erneuert sich stetig. Minute für Minute produzieren menschliche Stammzellen etwa 300 Millionen neue Zellen und erneuern immerzu unsere Haut, unser Blut oder unser Haar. Ohne Stammzellen wäre jeder Erwachsene innerhalb von Wochen tot. Stammzellen markieren, wie der Titel der neuen Sonderausstellung im Zoologischen Museum der Universität Zürich besagt, den «Ursprung des Lebens».
Die Selbstheilungskraft bei Mensch, Tier und Pflanze
Stammzellen unterscheiden sich grundlegend von allen anderen Zellen unseres Körpers: Sie bleiben über ihre Lebensspanne teilungsfähig und können sich durch Teilung selbst erneuern. Diese faszinierende Fähigkeit ist ein uraltes Prinzip der Natur, das die Sonderausstellung eingangs anhand der Regenerationsfähigkeit von Pflanze, Tier und Mensch veranschaulicht. Pflanzen sind den Tieren und Menschen punkto Regeneration weit überlegen: Man kann der Papyruspflanze einen Zweig entnehmen, diesen ins Wasser legen – und bald ist der Klon fertig. Auch einfachere Tiere wie der Regenwurm bilden etwa ein amputiertes Glied wieder aus. Viele menschliche Organe erneuern sich ständig, zum Beispiel die stark beanspruchte Leber. Die meisten Gewebe an unserem Körper sind weniger als zehn Jahre alt. Wie alt ihr Blut, Darm oder Gehirn ist, finden Besucherinnen und Besucher mit dem Stammzellscanner heraus.
Künstliche Haut und Herzen: erfolgreiche regenerative Medizin
Das Wissen aus dem ersten Ausstellungsteil wird nun im Labor, im zweiten Teil, auf die Bereiche Haut, Herz und Blut angewendet. Exponate veranschaulichen etwa, wie Leukämie-Patienten mit Blutstammzellen behandelt werden können, oder wie abgestorbene Teile des Herzens ausserhalb des Körpers mit Hilfe von Stammzellen nachgebaut und danach implantiert werden. Mit diesem Tissue Engineering versucht eine Forschungsgruppe der Universität Zürich neue Herzklappen für Kinder mit einem angeborenen Herzklappenfehler herzustellen.
«Die regenerative Medizin hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Heute können verschiedene menschliche Gewebe, wie Herzklappen, Hornhaut der Augen, Luftröhren, Adern oder Haut im Labor gezüchtet werden. Bei relativ einfach aufgebauten Geweben funktioniert das zum Teil schon gut», sagte Lukas Sommer, UZH-Professor und Stammzellexperte an der Medienführung.
Die Hoffnungsträger: induzierte pluripotente Stammzellen
Ob es jemals möglich sein wird, mit Stammzellen Diabetes, multiple Sklerose, Querschnittlähmung und andere Erkrankungen zu heilen, ist ungewiss. Der Ausstellungsteil «Hoffnung» wirft einen Blick in die Zukunft und stellt die neue Wunderwaffe der Medizin, die sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) vor. Durch die Zugabe von nur vier Genen können menschliche Hautzellen so reprogrammiert werden, dass sie embryonalen Stammzellen sehr ähnlich sind, und damit alle Zelltypen des Körpers bilden können, also pluripotent sind.
Diese iPS-Zellen sind im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen ethisch unbedenklich, da für ihre Herstellung keine Embryonen nötig sind; und da sie vom Patienten selbst stammen, werden sie vom Körper auch nicht abgestossen. Erste klinische Versuche beispielsweise zur Therapie einer Augenerkrankung werden derzeit durchgeführt. Heute werden iPS-Zellen bereits eingesetzt, um etwa Wirkstoffe zu testen. «In den kommenden Jahren wird sich zeigen, ob iPS-Zellen die hohen Erwartungen erfüllen können und ob sie sich zur Behandlung von Krankheiten eignen», fasste Lukas Sommer zusammen.
Von der faszinierenden Regeneration und den potentiell unsterblichen Stammzellen ist es nicht mehr weit zu Begriffen wie Unverwundbarkeit und ewigem Leben – Themen, die die Menschen seit jeher interessieren. 3-D-Szenen illustrieren dies anhand verschiedener Mythen im letzten Teil der Ausstellung. So wachsen dem Schlangenungeheuer Hydra gleich zwei neue Köpfe nach, nachdem Herkules ihm den Kopf abgeschlagen hat.
Die Ausstellung ist ein Projekt des Nationalen Forschungsprogrammes NFP 63 «Stammzellen und regenerative Medizin». (Universität Zürich/mc/ps)
Ausstellungsinformationen
Ausstellung «Stammzellen – Ursprung des Lebens»
10. März bis 14. Juni 2015, Eintritt frei, Di bis Fr 9–17 Uhr, Sa & So 10–17 Uhr
Zoologisches Museum der Universität Zürich
Karl Schmid-Str. 4, 8006 Zürich
Öffentliche Führungen (nur für Erwachsene geeignet):
Sonntag, 22. März, 11:30 Uhr
Sonntag, 5. April, 11:30 Uhr
Sonntag, 19. April, 11:30 Uhr
Sonntag, 3. Mai, 11:30 Uhr
Sonntag, 24. Mai, 11:30 Uhr
Sonntag, 7. Juni, 11:30 Uhr