Kreuzlingen – Die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen hat Anklage gegen Walter Oberhänsli in seiner Eigenschaft als Chef der Versandapotheken-Gruppe Zur Rose erhoben. Der Apothekerverband Pharmasuisse hatte Oberhänsli zuvor angezeigt.
Die Anklage betreffe zwei verschiedene Sachverhalte in den Jahren 2010 bis 2015, teilte Zur Rose am Sonntag in einem Communiqué mit. Einerseits gehe es um den Versand von rezeptfreien Medikamenten, andererseits um Entschädigungen für Ärzte, die elektronische Rezepte ausstellen.
2011 hatte Zur Rose einen Versand für rezeptfreie Medikamente (OTC) eingeführt. Dieser ist allerdings nur gegen ärztliche Verschreibung erlaubt. Diese Verschreibungen erfolgten durch ein Unternehmen, das auf die Untersuchung von Patienten aus der Ferne – so genannte telemedizinische Untersuchungen – spezialisiert ist.
Ende September 2015 hat das Bundesgericht entschieden, dass dieser von Zur Rose praktizierte und vom Kantonsapotheker freigegebene Versandhandel mit rezeptfreien Medikamenten verboten sei, schrieb die Versandapotheke weiter.
Für den Versand aller Arzneimittel sei immer ein ärztliches Rezept erforderlich, das ein Arzt nach einem persönlichen Kontakt mit dem Patienten ausgestellt habe, urteilte das höchste Schweizer Gericht. Zur Rose habe nach dem Urteil sofort den Versand rezeptfreier Medikamente eingestellt.
Entschädigungen für elektronische Rezepte verboten
Beim zweiten Anklagepunkt geht es um die Vergütung von Ärzten, die anstatt Rezepte auf Papier elektronische Rezepte ausstellten. Dies hat den Vorteil, dass sie nicht mehr von Hand erfasst werden müssen. Zur Rose habe diese Ärzte für ihren Aufwand angemessen entschädigt: «Der verbleibende Teil der Einsparungen dieses Vertriebsmodells – über 80 Prozent – kam indessen den Krankenversicherern und damit den Prämienzahlern in Form von Vergünstigungen zugute», schrieb die Versandapotheke.
Anfang Juli 2014 habe das Bundesgericht Zur Rose dennoch verboten, die Ärzte für die elektronische Erfassung von Rezepten zu entschädigen. Gleichentags habe Zur Rose die Entschädigungen eingestellt. «Da die beanstandete Geschäftstätigkeit bereits vor fünf Jahren eingestellt wurde, schliesst die Zur Rose-Gruppe einen Einfluss des Verfahrens auf die aktuelle Geschäftsentwicklung aus», schrieb der Konzern.
Harte Kritik an Pharmasuisse
Der Verwaltungsrat weise die Vorwürfe zurück und stelle sich «uneingeschränkt hinter seinen CEO» Oberhänsli, hiess es weiter. Zudem griff Verwaltungsratspräsident Stefan Feuerstein Pharmasuisse scharf an: «Diese juristische Attacke gegen unseren CEO durch Kreise, die den technologischen Wandel mit all seinen unbestrittenen Vorteilen allein zur Verteidigung ihrer wirtschaftlichen Individualinteressen aufhalten wollen – und dies über fünf Jahre nach Beendigung des beanstandeten Verhaltens – , erachte ich als grotesk.»
Sogar die Staatsanwaltschaft selber habe das OTC-Verfahren im November 2017 formell eingestellt, sagte Zur Rose-Sprecherin Lisa Lüthi auf Anfrage. Gegen die Einstellungsverfügung habe Pharmasuisse Beschwerde erhoben.
Man werde Oberhänsli in der Abwehr der Vorwürfe uneingeschränkt unterstützen und seine Integrität schützen, erklärte Verwaltungsratspräsident Feuerstein. (awp/mc/ps)