Arbeitsökonom Pierre Kempeneers: «Abstimmungsresultat ist ein generelles Signal der Abschottung.»
Bern – Ausländische Firmen könnten künftig davor zurückschrecken, sich in der Schweiz anzusiedeln. Mehr noch: Es besteht das Risiko, dass internationale Firmen nach dem Ja zur SVP-Initiative «Gegen Masseneinwanderung» die Schweiz verlassen. Denn Kontingente für ausländisches Personal machen den Unternehmen das Leben schwer.
«Fragen sie zum Beispiel Google oder IBM. Diese Unternehmen haben schon heute Mühe, in Europa genügend qualifiziertes Personal zu finden und klappern Indien, China und die USA danach ab», sagte Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle KOF an der ETH Zürich am Montag der Nachrichtenagentur sda.
Das Risiko bestehe, dass grosse internationale Firmen abwandern. Und ausländische Firmen würden es sich nach dem Ja zur Initiative nun «zweimal überlegen, ob sie sich hier ansiedeln wollen», sagte Siegenthaler. «Die Schweiz ist zwar noch immer attraktiv, aber weniger als vorher.»
Auch der Arbeitsökonom Pierre Kempeneers von der Universität Genf fürchtet, dass der Standort Schweiz an Attraktivität verloren hat. «Dieses Abstimmungsresultat ist ein generelles Signal der Abschottung», sagte er.
Hohe Hürden, längere Wege
Zudem schrecke die bürokratische Hürde der Kontingente Firmen ab, die einen Teil ihres Personals bei einer Ansiedlung in die Schweiz mitbringen wollten.
Nicht nur für ausländische, auch für Schweizer Firmen werde es komplizierter, ausländisches Personal einzustellen, sagte Kempeneer. Der Einstellungsprozess werde verzögert, da die Firmen zuerst beweisen müssten, dass sie auf dem Schweizer Arbeitsmarkt nicht fündig wurden.
Aus Sicht der Unternehmen werde der Pool für mögliche Arbeitskräfte kleiner, wenn die Personenfreizügigkeit wegfalle, erklärte Kempeneers.
Gemäss Siegenthaler wird sich dies bei den Fachkräften auf die Löhne auswirken, da der Arbeitsmarkt dafür kleiner werde. Wegen des Mangels an Fachkräften würden die Löhne steigen.
Arbeitsmarkt weniger flexibel
Mit der Wiedereinführung von Kontingenten verliere der Schweizer Arbeitsmarkt insgesamt einen Teil seiner Flexibilität und damit einen seiner Trümpfe, die es ihm erlaube, rasch auf die Wirtschaftsentwicklung zu reagieren, sagte Kampeneers von der Uni Genf.
«Rasch Personal einstellen zu können, das unterstützt die Wirtschaftstätigkeit. Das ist entscheidend im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.»
Herausforderungen für Exportwirtschaft
Siegenthaler von der KOF sieht vor allem für die Exportbranche grosse Herausforderungen. Mit der Einführung von Kontingenten werde diese an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Einerseits weil die Kosten für die Rekrutierung von Personal steigen und andererseits wegen den höheren Löhnen für Fachkräfte. Wegen den insgesamt höheren Kosten für die Unternehmen stiegen die Preise von Schweizer Exportgütern und machten diese weniger konkurrenzfähig.
Verteilkampf um Kontingente
Gerade auf die Maschinenindustrie kommen gemäss Siegenthaler schwierige Zeiten zu, denn sie genösse im Bundeshaus in Bern nicht die gleich starke Unterstützung wie zum Beispiel die Landwirtschaft.
Bei Wiedereinführung der Kontingente seien die Branchen aber darauf angewiesen, in Bern möglichst gut vertreten zu sein. Jene mit dem besten Beziehungsnetz erhielten das meiste Personal via die Kontingente.
Und dies, auch wenn sie weniger zum Wirtschaftswachstum beitrügen wie die Maschinenindustrie oder die IT-Branche, sagte Siegenthaler. Die Einführung von Kontingenten werde ausserdem den Standortwettbewerb zwischen den Kantonen noch verschärfen. (awp/mc/ps)