Zweitwohnungen: Bundesrat uneinig über Umsetzungs-Verordnung

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Rechtsunsicherheit um Zweitwohnungen nicht nicht zu Ende.

Bern – Der Bundesrat ist uneinig über die vorläufigen Umsetzung der Zweitwohnungs-Initiative. Er hat am Mittwoch keinen Entscheid zur entsprechenden Verordnung gefällt. Die Rechtslage bleibt damit unsicher. Grund dafür ist eine Kontroverse im Bundesrat. Nach Angaben von Sprecher André Simonazzi hat die Landesregierung ein erstes Mal über die Verordnung diskutiert. Weil sie dabei zu keiner Einigung gelangt ist, wird die Diskussion in folgenden Sitzungen weiter geführt.

Entscheidend ist insbesondere, wann die Verordnung und der damit verbundene Baustopp für Gemeinden mit mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen in Kraft tritt. Zur Diskussion stehen der 1. September 2012 und der 1. Januar 2013. Laut Simonazzi ist ein Inkrafttreten am 1. September trotz des aufgeschobenen Entscheids nicht vom Tisch. Es liege in der Kompetenz des Bundesrates, diesen Termin festzulegen, selbst wenn ein Entscheid erst an der übernächsten Sitzung fallen würde. Das wäre am 29. August.

Gesuche auf Vorrat
Bei der Stiftung Franz Weber, die die Initiative lanciert hat, ist man konsterniert über die Verzögerung. Pierre Chiffelle, juristischer Berater der Stiftung, bezeichnete es gegenüber der Nachrichtenagentur sda als «ärgerlich und bedauerlich», dass der Bundesrat den Entscheid auf die lange Bank geschoben hat. «Alle, auch unsere Gegner, warten ungeduldig auf die Verordnung. Diese würde der schwer erträglichen Rechtsunsicherheit ein Ende machen», sagte Stiftungs-Vizepräsidentin Vera Weber auf Anfrage.

Unsicherheit und Hektik auf dem Baumarkt
Tatsächlich haben die Ungewissheiten rund um die Initiative für Unsicherheit und Hektik auf dem Baumarkt gesorgt. Der drohende Baustopp hat in vielen Gemeinden zu einer Flut von Baugesuchen geführt. Gemäss dem Bauindex von Credit Suisse und Schweizerischem Baumeisterverband sind in der Bündner Gemeinde Laax im zweiten Quartal dieses Jahres Baugesuche für 252 Wohnungen eingegangen – normalerweise erhält die Gemeinde Gesuche für rund 15 Wohnungen. In Flims GR schnellte die Zahl der Baugesuche von 24 Wohnungen pro Quartal im langjährigen Mittel auf 193, in Savognin von 7 auf 44 hoch. Insgesamt sind im Kanton Graubünden allein im Mai und Juni 450 Gesuche eingegangen – dreimal mehr als im langjährigen Mittel.

Einen Ansturm müssen auch einige Tourismusdestinationen im Berner Oberland und im Wallis bewältigen. Beispielsweise in Saanen BE gingen in den ersten drei Monaten des Jahres Gesuche für 98 Wohnungen statt der üblichen 17 ein, im zweiten Quartal waren es noch 51. In Nendaz VS stieg die Gesuchszahl von 31 auf 101 Wohnungen im ersten und 141 im zweiten Quartal.

Bundesgericht gefordert
Wie viele Baugesuche bereits bewilligt worden sind, geht aus dem Bauindex nicht hervor. Die betroffenen Gemeinden dürfte nun aber mit Hochdruck an deren Erledigung arbeiten, denn spätestens am 1. Januar 2013 ist Schluss. So sieht es der Initiativtext vor. Völlig unklar ist aber, was mit Bewilligungen geschieht, die Anfang nächsten Jahres zwar erteilt, wegen Einsprachen aber noch nicht rechtskräftig sind. Grundsätzlich wird im Beschwerdeverfahren jenes Recht angewendet, das bei Bewilligungserteilung gegolten hat, wie der Zürcher Raumplanungs- und Baurechtsexperte Alain Griffel auf Anfrage der sda erklärte. Das Bundesgericht mache davon aber dann eine Ausnahme, wenn gewichtige öffentliche Interessen gegen die Anwendung des alten Rechts im Beschwerdeverfahren sprechen.

Hunderte Baubewlligungen angefochten
Bundesgericht Laut Griffel ist dies typischerweise bei neuem Umweltrecht der Fall. Nach seiner Einschätzung ist es nicht ausgeschlossen, dass auch neues Raumplanungsrecht ein gewichtiges öffentliches Interesse begründet. Das würde bedeuten, dass Baubewilligungen, die Anfang 2013 noch nicht rechtskräftig sind, vom Bundesgericht als nichtig beurteilt werden. Dass sich das höchste Gericht mit der Frage befassen muss, ist so gut wie sicher. Die Stiftung Franz Weber und ihr Verein Helvetia Nostra sorgen nämlich dafür, dass es an Fällen nicht mangeln wird. Nach Angaben von Anne Bachmann von Helvetia Nostra haben die Organisationen bisher 550 Baubewilligungen angefochten. Die meisten Einsprachen, nämlich 460, betreffen Verfahren im Wallis. 60 sind es nach Angaben der Stiftung allein in der Gemeinde Riddes. (awp/mc/ps)

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