Zürich – Es hatte sich schon abgezeichnet, nun besteht Gewissheit: Die Startups in der Schweiz haben im zweiten Halbjahr 2023 ein deutlich tieferes Finanzierungsvolumen erreicht als in den ersten sechs Monaten desselben Jahres.
Rund 1,62 Milliarden Schweizer Franken an Finanzierungen haben hiesige Startups generiert (erstes Halbjahr 2023: 1,93 Milliarden Franken). Auch im Vergleich mit dem zweiten Halbjahr 2022 (1,84 Milliarden Franken) sank das Investitionsvolumen deutlich. Das ist der tiefste Wert seit dem zweiten Halbjahr 2020 (1,30 Milliarden Franken). Somit wurden im Jahr 2023 insgesamt 3,56 Milliarden Franken in Startups in der Schweiz investiert. Gegenüber dem Vorjahr (3,95 Milliarden Franken) entspricht das einem Minus von rund 10%.
Kontinuierlicher Rückgang
Noch markanter ist der Rückgang der im zweiten Halbjahr 2023 getätigten Finanzierungsrunden: Mit 254 Finanzierungen liegen die letzten sechs Monate des Jahres 2023 deutlich unter den Werten der vorangehenden Halbjahre. Die Zahl der Finanzierungsrunden sinkt damit seit dem ersten Halbjahr 2022 kontinuierlich (1H22: 471 Runden; 2H22: 426 Runden, 1H23: 342 Runden). Weniger Transaktionen als in den letzten sechs Monaten wurden letztmals im zweiten Halbjahr 2020 registriert (199). Im ganzen Jahr 2023 wurden 596 Finanzierungsrunden getätigt, was gegenüber dem Vorjahr (897 Runden) einem Rückgang von 34% entspricht.
Zwei grosse Deals verändern das Bild
Ein genauerer Blick auf das letzte Halbjahr zeigt, dass das Gros des Investitionsvolumens im Juli angelegt wurde (796 Millionen Franken). Grund dafür sind die grossvolumigen Finanzierungen von TP24 und Atlas Agro. Diese beiden Unternehmen führen denn auch die Rangliste des zweiten Halbjahres 2023 an mit Volumen von 412, beziehungsweise 288 Millionen Franken.
«Die Entwicklung im zweiten Halbjahr 2023 zeigt exemplarisch, dass in der Schweiz wenige grosse Deals das Bild der Startup-Finanzierungen deutlich verändern können. Nach den zwei grossen Deals im letzten Juli schrumpfte das Gesamtvolumen im darauffolgenden Monat auf nur 33 Millionen Franken. In den letzten vier Monaten 2023 stellte sich eine leichte Erholung ein, die Volumen im Frühling und Frühsommer wurden jedoch nicht mehr erreicht», sagt Alexander Schatt, Head Startups & Scale-ups bei EY in der Schweiz.
Health-Bereich stark
Weiterhin stark vertreten unter den Startup-Finanzierungen sind Unternehmen im Gesundheitsbereich, dies spiegelt sich auch in den Gesamtzahlen für das erste Halbjahr 2023 wider: Von den Unternehmen mit den zehn grössten Finanzierungen sind sechs Startups in diesem Bereich tätig, und 173 von den insgesamt 254 erfassten Runden wurden im «Health»-Sektor getätigt und generierten damit über 1,1 Milliarden Franken. Die weiteren Sektoren nach Anzahl Runden sind «Software & Analytics» mit 143 Runden (460 Millionen Franken), «Hardware» mit 47 Runden (194 Millionen Franken) und «FinTech/InsurTech» mit 45 Runden (991 Millionen Franken).
Das sind die Ergebnisse des halbjährlichen Updates des Startup Barometers Schweiz, welches das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY in der Schweiz publiziert.
Gründerteams von Männern dominiert
Als besonderer Fokus wurde im Rahmen des Updates zum EY Startup Barometer Schweiz analysiert, wie hoch der Frauenanteil unter den Gründern ist, die 2023 Finanzierungen erhalten haben. Von 484 Startups in der Schweiz, die sich im Jahr 2023 mindestens eine Finanzierungsrunde sichern konnten, bestehen 10 Gründerteams ausschliesslich aus Frauen. Bei 108 der erfassten Startups war mindestens eine Frau Teil des Gründerteams. Eine deutliche Mehrheit von 366 Startups wurde von rein männlichen Teams gegründet. Anteilmässig bedeutet das, dass 2% der erfassten Startups von rein weiblichen Teams gegründet worden sind, bei 22% der Startups ist mindestens eine Frau unter den Gründern, und bei 76% sind alle Mitglieder des jeweiligen Gründerteams männlichen Geschlechts.
«Der Anteil an Startup-Gründerinnen ist per se nicht klein, im Gegenteil. Wenn es jedoch um Unternehmen geht, die Finanzierungen beschaffen können, sieht das Bild etwas anders aus. Wir müssen hier etwas mutmassen, aber es kann damit zu tun haben, dass auch bei Venture Capital-Firmen und anderen gewichtigen Investoren eher Männer über Investitionen entscheiden. Zudem kann auch der Zugang für Frauen zu wichtigen Netzwerken erschwert sein, oder von Frauen geführte Startups können in Industrien tätig sein, die traditionell weniger Venture Capital anziehen», erwähnt Alexander Schatt weiter.
Von den 1’090 Gründerinnen und Gründern, die im Jahr 2023 Finanzierungen für ihr Startup an Land ziehen konnten, sind 140 weiblich, was einem Anteil von 12,8% entspricht. Es zeigt sich, dass Frauen vor allem in den Sektoren Bildung, Gesundheit und AgriTech engagiert sind. Im Bildungssektor machen Frauen 29% der erfassten Gründer aus (7 von 24), im Gesundheitssektor sind es 20% (59 von 296), und im AgriTech-Bereich sind es 14% (5 von 35). (EY/mc/pg)