Vor einem Jahr wurde mit der Afrikanischen Innovationsstiftung AIF ein Hilfswerk gegründet, das die Probleme Afrikas nicht mit Symptombekämpfung angehen will, sondern mit tiefgreifenden und nachhaltig wirkenden Methoden. Moneycab sprach mit einem der Hauptinitianten und Co-Stifter von AIF, dem schweizerisch-angolanischen Unternehmer Jean-Claude Bastos de Morais.
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Bastos, Sie gelten als einer der Hauptinitianten der neuen African Innovation Foundation (AIF). Was unterscheidet AIF von anderen Hilfswerken, die in Afrika unterwegs sind?
Jean-Claude Bastos de Morais: Afrika hat mannigfaltige Probleme und benötigt entsprechend viel Unterstützung. Ausserdem beheimatet der Kontinent viele Völker mit unterschiedlichen Staatsformen, Mentalitäten und Gegebenheiten, weshalb ein und dasselbe Problem nicht überall mit dem gleichen Lösungsansatz angegangen werden kann. Ein Hilfswerk mehr kann hier viel bewirken. Wir verstehen uns nicht als Entwicklungsorganisation im klassischen Sinne. Wir wollen Afrika nicht die westliche Denkweise und die Wirtschaftsmodelle der Industriestaaten aufdrängen, sondern versuchen, die vor Ort vorhandenen Potentiale und Kapazitäten mit innovativen Ideen zu befruchten und möglichst gut zu nutzen.
AIF steht ja vor allem für Innovationsförderung. Wie ist das zu verstehen?
Vorrangiges Ziel von AIF ist es, Innovationen nachhaltig für Afrika zugänglich zu machen. Dabei verstehen wir unter Innovation nicht nur neue Technologien und fortschrittliches Knowhow, sondern auch die Modernisierung der sozialen und politischen Rahmenbedingungen. So kann man zum Beispiel ein Land durch die Einführung von allgemein anerkannten Antikorruptions- oder Geldwäschereigesetzen für internationale Investoren attraktiver machen.
Wäre es nicht effizienter, die für AIF vorgesehenen Mittel einem führenden und bereits etablierten Hilfswerk zur Verfügung zu stellen, das ähnliche Ziele verfolgt?
Nein, führende Hilfswerke kümmern ich um die ganz grossen Probleme sowie um Katastrophen. Staatlich vernetzte Organisationen sind ausserdem politischen Interessenkonflikten ausgesetzt. Kleinere Institutionen wie wir agieren unabhängiger, flexibler und nehmen sich auch weniger augenfälliger Misstände an. Ausserdem steckt in Hilfswerken unserer Grösse viel Herzblut. Normalerweise bringen die Gründer und Initianten einer Stiftung die grösste Motivation ein, steuern die meiste Energie bei und arbeiten entsprechend effizient.
Auf welche Probleme konzentriert sich AIF, und wie gehen Sie vor?
Wir fokussieren nicht auf länderübergreifende, sondern auf lokal eingegrenzte Probleme. Bei der Entwicklung und Umsetzung der Lösungen setzen wir nicht nur auf bewährte, sondern suchen auch nach innovativen, nachhaltigen Ansätzen. Ausserdem involvieren wir in den Prozessen immer Spezialisten vor Ort, welche die lokalen Gegebenheiten am besten kennen.
«Wir verstehen unter Innovation nicht nur neue Technologien und fortschrittliches Knowhow, sondern auch die Modernisierung der sozialen und politischen Rahmenbedingungen.»
Im Stiftungsrat sitzen zurzeit nur Schweizer und Angolaner. Ist anzunehmen, dass sich AIF vor allem auf Angola konzentrieren wird?
In einem ersten Schritt spricht die Zusammensetzung des Stiftungsrates und unser gegenwärtiges Know-how sicherlich für diesen Ansatz. Längerfristig planen wir jedoch eine Ausdehnung unserer Aktivitäten auf andere afrikanische Länder.
Mit Walter Fust und Prof. Ernst Brugger haben zwei international bekannte Schweizer Persönlichkeiten Einsitz im Stiftungsrat von AIF. Welches sind deren Aufgaben?
Walter Fust verfügt über eine ausserordentlich breite Erfahrung im diplomatischen Dienst sowie in der Entwicklungshilfe. Zuletzt war er Direktor der Deza, also der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA. Heute unterstützt er neben AIF diverse andere humanitäre Gremien. So ist er unter anderem Präsident des Intergouvernementalen Rates der Unesco für die Entwicklung der Kommunikation (IPDC) und CEO des Humanitären Weltforums Genf. Er bringt also nicht nur ein profundes Verständnis für Wirtschaftsförderung und Entwicklungsarbeit in AIF ein, sondern auch ein breites Netzwerk und viel internationale Anerkennung.
Und Prof. Ernst Brugger?
Ernst Brugger bringt ebenfalls einen reichen Erfahrungsschatz in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaftsförderung ein. Ausserdem gilt er als einer der führenden Exponenten im Bereich der Nachhaltigkeit. So ist er unter anderem Mitglied des Internationalen Roten Kreuzes in Genf, Mitglied der Arbeitsgruppe «Humanitäre Aussenpolitik der Schweiz» des EDA, VR-Präsident der Sustainable Performance Group in Zürich, Geschäftsführer des Vereins «Symposium Sustainability» in Zürich, VR-Präsident der Microcredit-Organisation Blue Orchard sowie Stiftungsratmitglied der Schweizerischen Friedensstiftung.
Die anderen Mitglieder sind in Angola bekannt. Welche Funktionen nehmen diese wahr?
Dabei handelt es sich um zwei vielversprechende Hoffnungsträger, die im Westen ausgebildet wurden und erfolgreich als Unternehmer in Angola tätig sind, also aktiv den Aufbau des Landes mittragen. Auch sie sind national und international bestens vernetzt.
«Die Umsetzung von Ideen ist mindestens so viel wert wie die Idee selber. Und sehr anspruchsvoll dazu.»
Ist José Filomeno de Sousa dos Santos nicht der Sohn des amtierenden angolanischen Präsidenten?
Korrekt. Wir haben zusammen die Grundphilosophie von AIF entwickelt. Er ist ein modern denkender Mensch, der die westliche Denkweise gut versteht und ein korruptionsfreies Angola anstrebt. Nach seinem Hochschulabschluss in England war er bei einer international tätigen Schweizer Handelsgesellschaft und später bei einer Versicherungsgesellschaft tätig. Den Schritt ins Unternehmertum wagte er mit zwei Transportgesellschaften, die er später veräusserte. Danach widmete er sich der Finanzierungsseite von Handelgeschäften, nämlich dem Structured Trade Finance. Zu diesem Thema hat er eine hohe Expertise erarbeitet und Fachartikel veröffentlicht. Ferner engagiert er sich stark in der Förderung der Jugend. Damit kann er die Zielsetzungen von AIF bestens unterstützen. Dasselbe gilt für Jorge Gaudens Pontes Sebastiano, der über ein hervorragendes Know-how in den Bereichen Corporate Responsibility und Management von Entwicklungsprogrammen verfügt. Als Unternehmer setzt er sich für nachhaltiges Bauen sowie für Recycling-Projekte ein.
Sie selbst sind sowohl Schweizer wie auch Angolaner. Was sind Ihre Beweggründe, diese Stiftung voranzutreiben?
Als Doppelbürger und aufgrund meiner familiären Wurzeln in beiden Ländern bin ich sicherlich das verbindende Glied für AIF zwischen der Schweiz und Angola. Ich wuchs zwar in der Schweiz auf, studierte hier und begann meine berufliche Laufbahn als Finanzspezialist ebenfalls in diesem Land. Doch die Sehnsucht nach Afrika schlummerte stets in mir und wuchs mit den Jahren. Ausserdem pflegte ich stets meine Freundschaften und Beziehungen mit Angolanern, so dass es nur logisch ist, dass ich mit der Zeit in Angola geschäftlich verstärkt aktiv wurde. Meine Devise lautet: «Afrika hat mir viel gegeben. Jetzt möchte ich was zurückgeben».
Welche Kompetenzen bringen Sie in AIF ein?
In den letzten 17 Jahre war ich in der Schweiz sowie in Europa bei verschiedenen Finanzunternehmen tätig. Davon habe ich während fünf Jahren nationale und internationale Unternehmen in Bezug auf ihre Strategie beraten. Anschliessend widmete ich mich dem Venture Capital und dem Private Equity-Geschäft. Dabei habe ich vor allem eines gelernt: Die Umsetzung von Ideen ist mindestens so viel wert wie die Idee selber. Und sehr anspruchsvoll dazu.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine Stiftung wie AIF ins Leben zu rufen?
Ich erfuhr, wie schwierig und umständlich es sein kann, in Angola Geschäfte zu tätigen. Und es wurde mir bewusst, dass in Angola, aber auch in anderen afrikanischen Ländern, insbesondere die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungs- und Führungsprozesse organisatorisch und logistisch im Argen liegen. Aber auch bei der Konzeption und der Realisierung von Infrastrukturprojekten benötigen diese Länder proaktive Unterstützung. In intensiven Diskussionen mit meinen angolanischen und schweizerischen Freunden nahm dann AIF Gestalt an.
Mit welchen Projekten ist AIF gestartet?
Das sind zunächst einfache, aber dringliche und zum Teil auch persönlich motivierte Pilotprojekte, die – wie gesagt – bislang alle in Angola angesiedelt sind. So starteten wir in einer Schule mit dem Konzept One Laptop Per Child und weiteren Massnahmen. Das zurzeit wichtigste Projekt hat zum Ziel, die Korruptions- und Geldwäschereiproblematik in den Griff zu bekommen. Kern des Projekts bildet die Gründung einer Financial Intelligence Unit mit hochqualifizierten Compliancespezialisten. Damit schaffen wir die technische und logistische Grundlage, damit das angolanische Geldwäschereigesetz umgesetzt werden kann. Von Bedeutung ist ferner ein Projekt, mit dem wir Augenoperationen ermöglichen und damit vielen Blinden zum Sehen verhelfen. Dieses Projekt wird durch Schweizer Augenärzte unterstützt, die jeweils für eine begrenzte Zeit unentgeltlich vor Ort hunderte von Operationen durchführen.
Wie werden diese Projekte finanziert?
Die Finanzierung von Projekten erfolgt einerseits über das Stiftungskapital sowie über Zuwendungen von Privatpersonen an die Stiftung.
«Wir haben als Sitz der Stiftung bewusst die Schweiz gewählt, weil das Land ein stabiles Umfeld, eine hohe Rechtssicherheit sowie im Bereich Antikorruption und Anti-Money-Laundering eine hohe Vorbildfunktion einnimmt.»
Die beiden roten Fäden, die sich durch Ihre Aktivitäten ziehen, heissen also Finanzierungsgeschäfte und Entwicklungshilfe?
In der Tat, dies ist die Basis unserer Visionen. Visionen sind das eine, sie müssen aber auch finanziert und konkret umgesetzt werden können.
Wie gehen Sie mit potentiellen Interessenkonflikten zwischen AIF und ihren Unternehmen um?
Es gibt keine Interessenkonflikte, sondern im Gegenteil Interessenkongruenz: Meine unternehmerischen Aktivitäten in Angola und in anderen afrikanischen Ländern würden von der Einführung eines griffigen Gesetzes gegen Korruption und Geldwäscherei und von einer effizienter agierenden Regierung profitieren. Das Private Banking in Angola zum Beispiel kann nur aufgebaut werden, wenn Geldwäscherei-Gesetze in Kraft sind. Und verbessert sich erst einmal das Image von Angola als Folge einer abnehmenden Korruption, dann fliesst mehr ausländisches Kapital ins Land, was die Binnenwirtschaft nachhaltig stärkt. Davon würden meine Unternehmen ebenfalls profitieren.
Und wie kann verhindert werden, dass die Stiftung selber in den Strudel der angolanischen Korruption hineingezogen wird? Immerhin gilt das Land als eines der korruptesten der Welt.
Dagegen trafen wir diverse Vorkehrungen. So haben wir als Sitz der Stiftung bewusst die Schweiz gewählt, weil das Land ein stabiles Umfeld, eine hohe Rechtssicherheit sowie im Bereich Antikorruption und Anti-Money-Laundering eine hohe Vorbildfunktion einnimmt. Zweitens handelt es sich bei unseren Stiftungsräten um national und international sehr bekannte und angesehene Persönlichkeiten, Sie sind sehr um ihr Image bedacht und nehmen deshalb ihre Überwachungsfunktion äusserst ernst. Reputationseinbussen von AIF würden unweigerlich auch auf sie abfärben. Drittens ist AIF dem Schweizer Stiftungsrecht unterstellt, das im internationalen Vergleich als streng gilt und unter anderem sicherstellt, dass die Mittel statutenkonform eingesetzt werden.
Der Gesprächspartner
Jean-Claude Bastos de Morais (geboren 1967) wuchs in der Schweiz in einem internationalen Umfeld auf, schloss an der Universität Freiburg den Master of Arts in Management (lic.rer.pol.) ab und begann seine berufliche Laufbahn als Management Consultant bei Deloitte&Touche. Später wirkte er als CEO sowie im Seniormanagement diverser internationaler Firmen und leitete etliche Start-ups, Mergers&Acquisitions und Börsengänge. Heute ist Jean-Claude ein weltweit tätiger Unternehmer und Investor in den Bereichen Finanzen, Immobilien, ICT und Grundstoffe. Seit einigen Jahren baut er überdies seine Aktivitäten in Angola aus. Zu diesem Land hat er dank seiner Familienwurzeln eine tiefe Beziehung. Die nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Förderung Afrikas ist ihm ein starkes Anliegen. Dazu hat er vor kurzem unter anderem mit Prof. Dr. Ernst Brugger sowie Walter Fust, dem ehemaligen Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), die Afrikanische Innovations Stiftung (AIF) gegründet.