St. Gallen – Das Schweizer Startup ist nach eigenen Angaben Europas führender Anbieter für Teledermatologie und macht die Beurteilung von Hautkrankheiten per Foto möglich.
Die Plattform onlinedoctor.de bietet Konsultationen von DermatologenInnen an – ganz einfach via Foto. Innerhalb von maximal 48 Stunden kommt die Beurteilung, meist jedoch innerhalb weniger Stunden. Terminstress, Wartezeiten und Anfahrt fallen weg. Die aktuelle OnlineDoctor-Fallabschlussquote von 85 Prozent zeigt: Ein persönlicher Besuch ist nur bei 15 Prozent der Patienten erforderlich. Mehr als 20 Prozent der Schweizer HautärzteInnen setzen das mehrfach ausgezeichnete* Tool bereits ein. Nun ist das Startup von Hamburg aus in Deutschland durchgestartet und konnte innerhalb weniger Wochen bereits mehr als 150 DermatologenInnen für ihre Plattform begeistern. Partner ist der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD).
Schnappschüsse von Zeckenbissen, Wunden oder Brandblasen: Als Hautarzt am Kantonspital Baden bekam Paul Scheidegger jeden Tag Fotos von Kollegen, Assistenzärzten, Freunden und Bekannten. Doch die Anfragen via WhatsApp, SMS oder Mail waren nicht nur chaotisch und unvollständig, sondern vor allem nicht datenschutzkonform. „Ich dachte: Das müsste man professionalisieren“, erinnert sich Scheidegger, der auch in seiner Praxis begann, mit Fotos zu arbeiten: „Es wurde deutlich, dass Patienten viel selbstverständlicher auf Technologien zurückgreifen als Ärzte und ein echter Bedarf besteht.“
St. Gallen und Hamburg – von hier aus startet die digitale Revolution der Dermatologie
2016 gründete Scheidegger mit den beiden Wirtschaftsspezialisten Tobias Wolf und Philipp S. F. Wustrow die digitale Lösung OnlineDoctor in St. Gallen. Im Oktober 2017 ging die Plattform online. 2019 war die WebApp bereits bei mehr als 20% der Schweizer Dermatologen im Einsatz und bewährte sich bei mehreren tausend Behandlungen. Nun ist der Telemedizin-Pionier auch in Deutschland gestartet. Von Hamburg aus will DeutschlandGeschäftsführerin Leonie Sommer den übrigen deutschsprachigen Raum erobern. Bereits im Frühling sollen in Deutschland mehr HautärzteInnen auf OnlineDoctor setzen, als in der Schweiz, wo das Startup bereits 2,5 Millionen Schweizer Franken von Investoren einsammelte.
Ideale Ergänzung und Entlastung des Systems
Die ehrgeizigen Wachstumsziele sollen unter anderem durch die Partnerschaft mit dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) erreicht werden, in welchem 90 Prozent der deutschen HautärzteInnen organisiert sind. „Der Fachbereich eignet sich wie kaum eine andere medizinische Disziplin für eine ärztliche Einschätzung per Bild. Sehr viele Hautkrankheiten lassen sich per Blickdiagnose erkennen, zudem sind im Gegensatz zu anderen Fachrichtungen meist keine Blutproben oder ähnliches notwendig“, so Leonie Sommer. Belegt wird dies durch die Fallabschlussquoten von 85 Prozent aus der Schweiz.
Das heisst: nur 15 Prozent der PatientenInnen müssten nach der Einschätzung durch einen FacharztIn von OnlineDoctor tatsächlich persönlich in der Praxis vorstellig werden. Das bietet enorme Vorteile und Potentiale für beide Seiten: „Einen Termin beim Hautarzt zu bekommen, ist nicht immer einfach. Dazu haben immer mehr Orte und Regionen keine ausreichende Versorgungsstruktur an niedergelassenen ÄrztenInnen. Hier kann OnlineDoctor eine ideale Entlastung und Ergänzung des Systems sein“, sagt Sommer, die von Verbandsseite bestätigt wird: „Der Beruf wandelt sich. Niedergelassene ÄrzteInnen wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten und einen effektiveren Einsatz ihrer Zeit. Fragen jenseits der Kernöffnungszeiten beantworten zu können, ist ein grosser Vorteil“, so Dr. Klaus Strömer, Präsident des BVDD.
Arzt/Ärztin wählen, Bild hochladen, Beurteilung in 48 Stunden erhalten
Und so funktioniert das Konzept: Auf OnlineDoctor.de können PatientenInnen ihren Wunsch-DermatologenIn auswählen. Mithilfe eines eigens entwickelten Chatbots werden im nächsten Schritt Informationen zum Hautproblem abgefragt. Nachdem der Nutzer drei Bilder vom Hautproblem hochgeladen und die Gebühr von 39 Euro bezahlt hat, wird die Anfrage abgeschickt. Innerhalb von 48 Stunden kommt eine erste Einschätzung samt Handlungsempfehlung. Die erhobenen Daten werden über SSL/TLS verschlüsselt und ausschliesslich auf Deutschen Servern gespeichert.
Leonie Sommer, Geschäftsführerin OnlineDoctor
Grösstmögliche Sicherheit garantiert dazu eine aus dem e-Banking bekannte Zwei-Faktor-Authentifizierung: PatienInnen erhalten sowohl eine E-Mail mit einem Link, der die Handlungsempfehlung enthält, als auch einen sechsstelligen SMSCode, mit dem diese herunterladen werden kann.
Fachärztliche Beurteilung für jeden zugänglich
„Wir machen dermatologische Expertise für jeden zugänglich,“ erklärt Leonie Sommer. Ein Hautproblem schnell online prüfen zu können, statt wochenlang auf einen Termin zu warten – dieser Vorteil überzeugt nicht nur Digital Natives oder Menschen, die im Urlaub Bisse oder Pusteln beurteilt wissen möchten. Auch PatientenInnen, die nicht mobil sind, profitieren. „Ein Patient schickte Bilder einer starken Entzündung am Stupf seines amputierten Beines – ihm konnte innerhalb weniger Stunden geholfen werden“, erinnert sich Paul Scheidegger. Ein anderer Extremfall, der die Spannbreite der Szenarien illustriert, ist das Beispiel eines Häftlings. „Er hatte eine ziemlich Grosse Warze am Penis und litt wie verrückt“, so der Dermatologe. Statt den Straftäter mit Polizeieskorte in die Praxis zu bringen, wurde der Fall per Handyfoto gelöst: „Durch eine Salbe heilte die Warze schnell ab“, berichtet Scheidegger, der ergänzt: „Dies sind Einzelfälle, aber sie zeigen, wie die Plattform Kosten- und Zeitaufwand reduziert.“ Dazu soll auch Pflegepersonal im Fokus stehen: „Es ist viel empfehlenswerter, über OnlineDoctor eine erste fachärztliche Einschätzung einzuholen, als pflegebedürftige oder schwer kranke Menschen den Anstrengungen eines Praxisbesuchs auszusetzen“, so Leonie Sommer. „Wir sehen hier grosses Wachstumspotential für OnlineDoctor.“
Erstattungsfähigkeit der Leistung
Privatversicherte PatientenInnen können die Rechnung bei Ihrer Krankenversicherung einreichen. Gesetzlich Versicherte müssen die Kosten der Online-Konsultation zum jetzigen Zeitpunkt selbst tragen. Ziel ist aber eine Kostenübernahme durch alle Krankenkassen: „Wir wünschen uns natürlich die Erstattungsfähigkeit für alle unsere NutzerInnen. Wir sind sicher, dass die Krankenkassen die enormen Vorteile schnell erkennen werden“, sagt Sommer. Die CSS – eine der grössten Kassen der Schweiz –übernimmt bereits Checkups und erstattet anteilig. (OnlineDoctor/mc/ps)
*Beim Best of Swiss Web Award gewann OnlineDoctor Gold in der Kategorie „Mobile“ und Silber in der Kategorie „Business“. Zudem wurde OnlineDoctor zum «innovativsten Startup der Ostschweiz» gekürt und wurde beim Digital Economy Award in der Kategorie «Digital Innovation of the Year» ausgezeichnet.