Archäologe der Genwart im Museum Tinguely
Als Gründungsmitglied der Nouveaux Réalistes gehört Arman zu einer der wohl wichtigsten und bis heute einflussreichsten Künstlergruppierung der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Künstler verfolgt den Leitgedanken des Nouveau Réalisme, das «Abenteuer des wirklichen Sehens», der in «neuen perzeptorischen Annäherungen an die Wirklichkeit» bestehen sollte. Mit seinen Ansammlungen ähnlicher oder gleicher Objekte schafft er ein Bild der Konsumgesellschaft, deren Gier nach immer grösseren Massen und neuen Produkten bei einer stets präsenten Wegwerfmentalität nach dem zweiten Weltkrieg immer deutlicher zu tage tritt.
Poubelle de Jim Dine, 1961. Sonnabend Collection, Leihgabe im Museo di Arte Moderna e Contemporanea di Trento e Roverato (MART); (c) 2011 Pro Litteris
Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Pariser Centre Pompidou organisiert, wo sie im vergangenen Herbst bereits sehr erfolgreich einem grossen Publikum präsentiert werden konnte. Mit rund 80 Werken aus bedeutenden Museumssammlungen und Privatbesitz sowie einer Auswahl an Filmen in Grossprojektion bietet die Schau in thematisch gegliederten Räumen einen einzigartigen Einblick in das gesamte Schaffen des Künstlers von den frühen 1950er Jahren bis hin zum Spätwerk der 1990er Jahre. Fünf Jahre nach dem Tod Armans, der sich selbst als «Archäologe der Gegenwart» bezeichnete, wird ihm zum ersten Mal überhaupt im Museum Tinguely eine Gesamtschau in einem Schweizer Museum gewidmet.
In den Werken Armans finden sich viele Themen, die als avantgardistische Tendenzen in den 1960er und 1970er Jahren aktuell wurden.
Die Abwendung von der Malerei (Anti-Malerei) in Form der Allures d’objets, die Akzentverschiebung in Richtung Plastik und Installation bei einer alles beherrschenden Einbeziehung von gefundenen Gegenständen. Auch die Konzeptkunst, die Konzentration auf die spektakuläre ephemere Aktion erklärt Arman zu einer wichtigen künstlerischen Ausdrucksform, in der die Rolle des Zufalls, die Einbeziehung des Zeitfaktors und die Integration des Alltaglebens in seine Arbeiten mit einflossen. In sieben thematisch gegliederten Kapiteln präsentiert die Ausstellung die wichtigsten Werkgruppen des Künstlers. Die grossformatig projizierten Filme wie Objets animés oder Sanitation, an deren Realisierung Arman massgeblich beteiligt war, treten mit den gezeigten Werken in einen spannungsvollen Dialog und bilden eine wichtige Klammer in der Konzeption der Schau. Hier wird für den Besucher die künstlerische Geste, Armans Auseinandersetzung mit dem Objekt in seiner inneren Kohärenz und Konsequenz vom Entstehungsprozess bis hin zum fertigen Werk zeitlich und sinnlich nachvollziehbar. Seine spektakulären Aktionen, wie die Colère NBC Rage (1961), die vor dem Wohnatelier Tinguelys in der Impasse Ronsin realisiert wurde, oder Concious Vandalism in der Galerie John Gibson in New York 1975, wirken wie kathartische Ereignisse innerhalb seines Œuvres. (mt/mc/th)