Baloise Session 2023: Smarte Coolness und leise Intimität am Jazzabend mit GoGo Penguin und Norah Jones
Basel – Nach der triumphalen Rückkehr des Jazzabends an der Baloise Session im letzten Jahr mit Snarky Puppy und Gregory Porter, fand dieses Jahr die Fortführung mit GoGo Pengiun und Norah Jones statt. Statt funkigem Jazzrock, Gospel und Rhythm & Blues standen diesmal instrumental präzises Understatement und der Minimalismus einer faszinierenden Stimme im Zentrum.
Von Helmuth Fuchs
Das Motto des Abends «Jazz or not» war insofern sehr treffend, als die Unschärfe von «Jazz» eh keine präzise Definition erlaubt und bei GoGo Pengiun und Norah Jones das einende Thema Jazz sicherlich in ihren Kompositionen mitschwingt, sie daneben aber auch völlig unterschiedliche und selbstständige Stilrichtungen pflegen.
GoGo Pengiun, die «Rave-Jazzer» aus Manchester legten gleich ohne irgendwelche Ansage oder Einführung los mit filigranem, technisch brillantem und in perfektem Zusammenspiel inszeniertem Kopfkino («An Unbroken Thread of Awareness» aus ihrem sechsten Studio-Album «Everything Is Going To Be OK»).
Ohne Gesang und Texte blieb die Interpretation des Gehörten vollständig den Zuhörenden überlassen. In Zeiten in denen jedes Ereignis sofort millionenfach kommentiert, interpretiert, «korrekt» bewertet und faktengecheckt wird, ein unglaublich befreiender Luxus. Nicholas Blacka am Bass, Christopher Illingworth am Piano und Jonathan Scott am Schlagzeug schufen Inseln melodiöser Harmonien, nach denen sich alle sehnen, in einer faszinierenden Mischung der manchmal fast wuchtigen Arbeit am Bass, den sphärischen Läufen am Klavier und dem integrativen Drang des Schlagzeugs. GoGo Penguin brauchen ganz offensichtlich kein Publikum, um zu ihrer Bestform zu finden. Sie wachsen über ihre eigene Studio-Arbeit und ein blindes Verständnis beim Spiel. Umso schöner, dass sie an Abenden wie diesen Einblick geben in ihr Schaffen und ihre Entwicklung.
What am I to You?
Anders sieht es aus bei Norah Jones. Obschon auch ihre Musik nicht zum Mittanzen animiert, gab es immer wieder kurze Interaktionen, prägnant und intim wie ihre Musik. Als sich doch einige Zuhörende vor der Bühne versammelten und sich im Takt der Songs wiegten, meinte sie erstaunt «I wasn’t expecting this, but I love it».
Wer die Entwicklung der Küsterin in den letzten zwei Jahrzehnten mitverfolgen wollte, konnte das an ihrem Stück “What am I to You” exemplarisch nachvollziehen. Norah Jones stellte eine der fundamentalsten Fragen jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Die Antwort kann, oder muss, jeder selbst geben. Norah Jones tut es auf ihre Weise. Zurückhaltend, leise und über die Zeit sich ändernd. War die Frage bei Erscheinung des Stückes 2002 (auf dem Album “Come Away with Me”, Blue Note Records) mit einem schmerzlichen, zweifelnden Unterton versehen, überwiegt aktuell ein wissender, neugieriger Unterton. Die Künstlerin hat inzwischen weltweit Erfolge gefeiert, zehn Grammies bekommen, ist ein internationaler Star, zweifache Mutter. Gefestigt, geformt und dennoch in einer offensichtlichen Entwicklung als Künstlerin.
Norah Jones Auftritt lebte von der Intimität, die sie mit ihrer leisen Stimme und ihren Texten erschuf, kongenial unterstützt von ihrer Band. Sie liess das Publikum teilhaben, ohne aber eine aktives Mitmachen zu suchen. Das mag für einige als distanziert oder uninspiriert wahrgenommen werden. Das Publikum in Basel schien es aber als das verstanden zu haben, was es ist: Eine Einladung in die Welt der leisen, filigranen Töne, der differenzierten, zurückhaltend formulierten Gedanken einer Grenzgängerin zwischen Jazz, Pop, Blues und Country, die auch nach mehr als zwanzig Jahren in ihren Konzerten überraschende Momente vergänglicher Schönheit schafft, wie in der ersten Zugabe «mit «Nearness», wo sie alleine am Piano mit ihrer Stimme ein Band mit dem Publikum knüpfte. Dieses bedankte sich zum Schluss mit einer Standing Ovation. «Jazz or not»? Auch, aber nicht nur.
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