Barrierefreier Tourismus mit grossem Potenzial

Barrierefreier Tourismus mit grossem Potenzial
(Foto: Dickmatz/pixelio.de)

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Berlin – «Wenn einer eine Reise tut…» – dann sucht er Erholung, fremde Kulturen, Abenteuer oder Abwechslung zum Alltag. Das Reisefieber steigt Jahr für Jahr an, auch bei Menschen mit einer Behinderung. Die Zielgruppe mobilitätseingeschränkter Reisender wächst und gewinnt weltweit an Bedeutung.

Das vergangene Jahr war für den internationalen Tourismus ein Rekordjahr. Nach Prognosen des World Travel and Tourism Council haben über eine Milliarde Menschen ihren Urlaub im Ausland verbracht. Und kaum weniger dürften in ihrer jeweiligen Heimat eine Reise gemacht haben. Dazu gehörten viele Menschen mit Behinderung, die trotz ihrer Mobilitäteinschränkung ihre Reiseträume verwirklichen konnten. Sie setzten ein berechtigtes Anliegen um: Behinderte oder mobilitätseingeschränkte Menschen wollen so eine Reise machen können, wie es alle anderen auch tun. Sie wollen nicht zu Hause bleiben. Nichts desto trotz war es aber Millionen Menschen mit einer Behinderung nicht möglich zu verreisen.

Mangelnde Barrierefreiheit
Fehlende finanzielle Mittel sind dabei nur ein Grund, vielfach sind es aber unzureichende Einrichtungen und mangelnde Barrierefreiheit, die Menschen mit Behinderung das Reisen verunmöglichen. Dabei muss sich die Tourismus-Branche ja bewusst sein, dass sich die Touristenströme nicht nur in die Länder bewegen, die bedeutende Attraktionen, sondern auch Dienstleistungen und Infrastrukturen zu bieten haben, die die Touristen zufrieden stellen.

Barrierefreie Reisen sind kein Nischenmarkt
Und bei den mobilitätseingeschränkten Menschen handelt es sich für die Tourismus-Industrie keineswegs um einen Nischenmarkt. Allein in Europa gibt es 80 Millionen behinderte Menschen. «Weltweit wird die Zahl von Menschen mit Behinderung auf zwischen 600 Millionen und 900 Millionen Menschen geschätzt“, erklärte Lilian Müller, Präsidentin des European Network for Accessible Tourism (ENAT) anlässlich der Präsentation des ITB World Travel Trends Report. Dieser wurde im Auftrag der ITB Berlin, die noch bis Sonntag dauert, von IPK International erstellt.

Menschen mit Behinderung auf Reisen: Ein Milliardengeschäft
Bei einer derzeitigen Weltbevölkerung von rund sieben Milliarden Menschen, benötigen bereits heute rund zehn Prozent «barrierefreie» oder «leicht zugängliche» Einrichtungen. Auch folgende Zahlen verdeutlichen das enorme Potenzial: Es wird geschätzt, dass in Deutschland Menschen mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität jährlich 2,5 Milliarden Euro auf Reisen ausgeben. In den USA beläuft sich die Zahl auf 13,6 Milliarden Dollar.

Und die Nachfrage wird steigen, denn angesichts der demografischen Entwicklung in vielen Ländern und durch die zunehmende Reisefreudigkeit der Senioren wird sich das Potenzial für die Reisebranche noch beträchtlich erhöhen. Barrierefreiheit gesamtheitlich betrachtet muss für die Tourismusbranche also bedeuten, Menschen mit Behinderung, immer mehr Senioren, aber auch Familien und Kindern einen angenehmen und stressfreien Urlaub garantieren zu können.

Fehlende Angebote
Noch aber liegt vieles im Argen. Gemäss dem Trend Report sind in der Vergangenheit allein in Deutschland etwa 37 Prozent der behinderten Menschen wegen mangelnder zugänglicher Einrichtungen nicht gereist. 48 Prozent würden häufiger reisen, wenn geeignete Angebote zur Verfügung stünden. Und 60 Prozent wären auch bereit, höhere Reisekosten für eine bessere Zugänglichkeit zu zahlen.

Gesetzliche Bestimmungen
Es sind aber nicht nur finanzielle Anreize, die Branche beachten muss, sondern auch gesetzliche Bestimmungen. Über 140 Länder haben bisher die UNO-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, und die Europäische Kommission plant den EU Accessibility Act, welcher die Staaten verpflichten wird, allen Bewohnern ungehinderten Zugang und gleichberechtigte Dienstleistungen zu garantieren, inklusive Reisen und Tourismus.

Komplettes Angebot statt Stückwerk
ENAT-Präsidentin Lilian Müller betont, dass der barrierefreie Tourismus die Wertschöpfungskette komplett abdecken muss, von besserer Information und Buchungsmöglichkeiten, über den Transport bis zu den Einrichtungen vor Ort, einschliesslich Unterkunft, Verpflegung, Aktivitäten und touristische Dienste. «Flugzeuge und Züge zum Beispiel müssen für Menschen mit einer Behinderung viel benutzerfreundlicher werden. Das Vorgehen muss zum Ziel haben, Tourismus-Destinationen generell für alle Menschen zugänglich zu machen», so Müller. Zugänglichkeit müsse ein Teil aller Angebote und touristischer Produkte sein. Ebenso seien aber spezialisierte Anbieter mit Dienstleistungen für Kunden mit höheren Zugangsvoraussetzungen weiterhin notwendig, erklärt Müller.

Das Internet als wichtige Plattform Eine immer wichtigere Rolle als Plattform für eine barrierefreie Zukunft ist das Internet. Dazu gehört, dass Reiseveranstalter und Tourismusbüros ihre Informationen auch für blinde und gehörlose Menschen über dieses Medium zugänglich machen. Laut einer ENAT-Umfrage im Jahr 2011 waren aber nur zehn von 39 Websites für Menschen mit diesen Behinderungen zugänglich. (mc/pg)

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