Bedeutung des barrierefreien Tourismus wird unterschätzt
Berlin – Barrierefreier Tourismus ist ein stark unterschätztes Segment, dessen wirtschaftliche Bedeutung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich wachsen wird. Weltweit können Millionen von Menschen mit Behinderungen oder körperlichen Einschränkungen wegen unzureichender Einrichtungen nicht auf Reisen gehen, obwohl sie das Geld und die Zeit dafür hätten.
Zusätzlich wird sich das Nachfragepotenzial in diesem Segment angesichts der demografischen Entwicklung in vielen Ländern und durch die zunehmende Reisefreudigkeit der Senioren beträchtlich erhöhen. Zu diesen Ergebnissen kommt der aktuelle ITB World Travel Trends Report, der im Auftrag der ITB Berlin von IPK International erstellt wurde.
10 % der Weltbevölkerung benötigen «barrierefreie» Einrichtungen
Lilian Müller, Präsidentin des European Network for Accessible Tourism (ENAT), betont, dass es allein in Europa nach neuesten Ergebnissen 80 Millionen Menschen mit Behinderungen gebe: „Weltweit wird die Zahl auf zwischen 600 Millionen und 900 Millionen Menschen geschätzt.“ Bei einer derzeitigen Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen, benötigen demzufolge rund zehn Prozent „barrierefreie“ oder „leicht zugängliche“ Einrichtungen.
Dr. Martin Buck, Direktor KompetenzCenter Travel & Logistics Messe Berlin, kommentiert: „Für die globale Reiseindustrie gilt es, dieses Potenzial zu nutzen. Zumal Barrierefreiheit nicht nur für behinderte Menschen Voraussetzung eines stressfreien Urlaubs ist. Auch andere Personengruppen, zum Beispiel Eltern mit Kleinkindern, Unfallgeschädigte oder Senioren, profitieren von barrierefreien Angeboten.“
Fehlende Angebote als Bremsblock
Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Segments ist enorm: Amerikanische Erwachsene mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität geben im Jahr rund 13,6 Milliarden Dollar auf Reisen aus. In Deutschland wird der Umsatz in diesem Segment auf etwa 2,5 Milliarden Euro geschätzt und in Grossbritannien auf fast zwei Milliarden Pfund. „Diese Zahlen könnten in Zukunft noch weiter steigen“, betont Lilian Müller. In Deutschland sind etwa 37 Prozent der behinderten Menschen aufgrund mangelnder zugänglicher Einrichtungen in der Vergangenheit nicht gereist. Jedoch würden 48 Prozent häufiger reisen, wenn geeignete Angebote zur Verfügung stünden. 60 Prozent wären sogar bereit, höhere Reisekosten für eine bessere Zugänglichkeit zu zahlen.
Internet als wichtige Plattform für eine barrierefreie (Reise-)Zukunft
Barrierefreier Tourismus dürfe deshalb nicht länger ein Nischenmarkt sein: „Zugänglichkeit muss Bestandteil aller Angebote und touristischen Produkten sein. Ebenso sind spezialisierte Anbieter mit Dienstleistungen für Kunden mit höheren Zugangsvoraussetzungen weiterhin notwendig“, so Lilian Müller. Das Internet stellt dabei eine wichtige Plattform für eine barrierefreie Zukunft. Dazu gehöre, dass Reiseveranstalter und Tourismusbüros ihre Informationen auch für blinde und gehörlose Menschen über dieses Medium zugänglich machen. Laut einer ENAT-Umfrage im Jahr 2011 waren nur zehn von 39 Websites für Menschen mit diesen Behinderungen möglich.
Mehr zum Thema „Barrierefreier Tourismus“ sowie detaillierte Ergebnisse aller Studien zur weltweiten Entwicklung im Tourismus werden im ITB World Travel Trends Report vorgestellt. Er steht unter www.itb-berlin.de zum Download bereit. Er basiert auf Einschätzungen von 50 Tourismusexperten aus 30 Ländern, einer speziell von IPK durchgeführten Trendanalyse in den wichtigsten Herkunftsmärkten sowie auf Kerndaten des World Travel Monitor, der als grösste kontinuierliche Studie zum globalen Reiseverhalten aus rund 60 Herkunftsländern gilt.
Außerdem wird auf dem ITB Berlin Kongress ein Keynote-Panel das Thema „Barrierefreier Tourismus für alle: Qualitäts- und Erfolgsparameter für die Wettbewerbsfähigkeit von Destinationen“ beleuchten. Termin: Freitag, 8. März 2013, 10.30 bis 11.45 Uhr. (ITB/mc/pg)