Wer sich von Bruce Springsteen zur US-Wahl Politisches erhofft hatte, wird enttäuscht: «Letter to You», sein neues Album, schwelgt in Rock’n’Roll-Nostalgie. Aber ist das schlimm?
Jetzt kriegt Trump Saures vom «Boss». Dachte man, als im September die Nachricht kam, dass Bruce Springsteen, Ikone des liberalen Arbeiterklasse-Rock’n’Rolls, ein neues Album mit dem Titel «Letter to You» veröffentlichten würde. Ein Brief, so kurz vor der US-Wahl, der konnte sich doch eigentlich nur an, oder besser: gegen den Präsidenten richten. Aber eine Platte mit wütenden Anti-Trump-Hymnen, «das wäre das langweiligste Album der Welt», sagte Springsteen im Interview mit der US-Ausgabe des «Rolling Stone».
Man kann sich darüber streiten, ob es nicht noch langweiliger ist, in politisch bewegten Zeiten ein dezidiert nostalgisches, selbstreferenzielles Album aufzunehmen. Denn der «Letter to You», den Springsteen nun am 23. Oktober veröffentlicht, ist vor allem ein Brief an sein jüngeres Selbst – und eine Hommage an seine zur Familie gewachsene Livebegleitung, die E Street Band, mit der er erstmals seit «Born in the U.S.A.» (1984) ein komplettes Album live im Studio eingespielt hat. Und so klingt es auch: Donnernder, opulent instrumentierter Breitwand-Rock’n’Roll mit Saxofon, Glockenspiel und Gitarren, Gitarren, Gitarren, als wären die Siebzigerjahre für diese Band nie zu Ende gegangen.