Die Zeiten der «… for dummies»-Bücher sind vorbei. Wer heute auf komplexe Probleme einfache 10-Sekunden-Lösungen bereit hält, mag zwar immer noch Anhänger finden (vor allem in der Politik), ernst zu nehmende Beiträge können aber von solchen Personen nicht erwartet werden. Oliver Fiechter gibt sich schon gar nicht der Versuchung hin, die aktuelle Krisen zu verniedlichen oder sie sich einfach zu reden.
Von Helmuth Fuchs
Er stellt sie in einen wirtschafts-philosophischen und historischen Zusammenhang und beginnt mit der Denkarbeit am kommenden Modell, der Ökonomie 3.0 und darüber hinaus. Fiechter prognostiziert das Ende der Ökonomie 2.0 mit der Ausrichtung auf materiellen Reichtum und der Vision der unendlichen Ressourcen und den Beginn eines mehr immateriellen Wohlstandes, der auf sinnstiftenden Ideen und Idealen beruht. Wer hier schon ein Abdriften in die Esoterik befürchtet, sei beruhigt. Der Autor ist sich der Risiken und Klippen der simplen Sehnsucht nach Dematerialisierung bewusst, zeigt diese auf und definiert seine Vorstellung der Ökonomie präzise genug, um sie gegen bekannte Minenfelder abzugrenzen.
«Die von uns Menschen dezentral gesteuerte Wirtschaft nenne wir Ökonomie 3.0. Wir bezeichnen damit nicht nur eine neue Ökonomie, sondern auch ein fortschrittlicheres Verhältnis von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.» Oliver Fiechter, «Die Wirtschaft sind wir!»
Anregung zum Denken statt simpler Erfolgsversprechen
Wer eine unfehlbare Anleitung zur Gestaltung der zukünftigen Wirtschaft erwartet, wird enttäuscht werden. Der Autor versagt sich glücklicherweise der amerikanisch geprägten «10 Schritte zum Erfolg»-Methodik. Dafür schlägt er einen weiten Bogen von den antiken zu den modernen Philosophen und bindet sie zielsicher in sein Wirtschaftsmodell ein. Sein Buch regt zum Denken an, gibt Hilfe bei der Einordnung komplexer Prozesse, erläutert Hintergründe und Zusammenhänge und lässt überall auch Freiraum zur eigenen Überlegung. Auf verschiedenen Ebenen (Antropologie, Soziologie, Politik, Management) zeigt er die Notwendigkeit und die mögliche Form des fundamentalen Wandels der neuen Wirtschaft auf. Dabei scheut er sich nicht, Fragen, die er selbst aufwirft unserer eigenen Beantwortung zu überlassen.
Eigenverantwortung als Gestaltungslegitimation
Der Titel ist schon Teil des gesamten Konzept. «Die Wirtschaft sind wir!» bedeutet zuerst einmal, dass wir auch selbst verantwortlich sind für die aktuellen Krisen und vor allem dafür, eine neue Wirtschaft zu denken und dann zu etablieren. Die Verantwortung zu delegieren (an Unternehmen, Finanzinstitute oder Politiker) funktioniert nicht, da wir uns dazu von der Wirtschaft abgrenzen. Spätestens wenn wir die Folgen zu tragen haben, wird der Kurzschluss offensichtlich. Fiechter fordert deshalb die Übernahme der Verantwortung für die Wirtschaft von jedem Einzelnen und leistet mit dem Buch einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Denkarbeit.
Wertvoller Beitrag zum Neudenken der Wirtschaft
Auf über 260 Seiten findet der Leser die Positionierung und Abgrenzung der Ökonomie 3.0 gegenüber den Vorgängermodellen. Fiechter gelingt es, die komplexe Materie einer emergenten Wirtschaft schlüssig und in spannend zu lesender Form darzustellen. Dabei wird man immer wieder als verantwortlicher Teil der Wirtschaft auf das eigenen Denken und Handeln zurück geführt. Das Bewusstmachen der eigenen Verantwortung und die gedankliche Hilfestellung durch den Autor sind herausragende Qualitäten dieses Buches. In der aktuellen Krisensituation leistet Oliver Fiechter einen wertvollen Beitrag zum Neudenken der Wirtschaft.
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