Christo über den Sinn des Lebens: «Nur die Kunst»
Im November 2019 erzählte der kürzlich verstorbene Künstler Christo dem S-Magazin von seinem Leben für die Kunst – und dem Plan, den Arc de Triomphe zu verhüllen.
«1958 kam ich zum ersten Mal nach Paris. Diese Stadt bedeutete für mich alles: Freiheit – in den Gedanken, in der Bewegung, in der Kunst. Ich war aus meiner Heimat Bulgarien geflüchtet, fast mittellos, allein, aber hier konnte mein Traum Wirklichkeit werden. Ich wollte als Künstler leben, immer schon. In Bulgarien ging das nicht, das war das stalinistischste Land im Ostblock.
Ich wusste, dass ich niemals wieder von irgendeinem Regime oder irgendwelchen Menschen abhängig sein wollte. Ich wollte autark sein, ohne Kompromisse. Ich schlug mich als Porträtmaler durch, traf Jeanne-Claude, die meine Lebensgefährtin und schärfste Kritikerin über mehr als fünf Jahrzehnte wurde. Dass wir beide am selben Tag, dem 13. Juni 1935, geboren wurden, war wohl kein Zufall.
Für eines unserer ersten Werke, ‹The Iron Curtain›, blockierten wir 1962 die Rue Visconti mit Ölfässern. Wir hatten keine Genehmigung für diese Aktion, sondern nahmen uns einfach die Freiheit. Ich fühlte mich schwerelos. Und nun verhülle ich den Arc de Triomphe – davon hatten Jeanne-Claude und ich immer geträumt. Ein nationales Heiligtum, welch eine Ehre.
Für dieses Projekt, das wir im September und Oktober 2020 stattfinden lassen, treibe ich das Geld allein auf. Zehn bis elf Millionen Euro wird es kosten, den Triumphbogen in 25.000 Quadratmeter Stoff zu hüllen. Ich sehe jede Falte genau vor mir. Wie alle meine Projekte wird auch dieses durch den Verkauf meiner Kunstwerke finanziert. Deshalb arbeite ich gerade wie besessen an Bildern und Collagen. Und wenn das nicht reichen sollte, werde ich um einen Bankkredit nicht herumkommen – so wie damals beim ‹Wrapped Reichstag›.»