Die Welt durch die Webcam
Die Zeitgeschichte der letzten Tage hat uns wieder einmal deutlich vor Augen geführt, dass die neuen Medien die Welt schneller verändern, als wir es wahr haben wollen. Der Blick durch die Webcam kann durchaus neben der historischen Komponente auch eine künstlerische Anmutung haben.
Kurt Caviezel, 1964 in Chur geboren, fotografiert die Welt mittels öffentlich zugänglicher Webcams. Er «flaniert» gleichsam per Mausklick durch das World Wide Web und sammelt Bilder, die für kurze Zeit auf seinem Bildschirm aufscheinen. Obwohl er nicht selbst hinter der Kamera steht, tragen die Werke in der Ausstellung doch seine unverwechselbare Handschrift. Caviezels Strategien zum Aufspüren und Bearbeiten aussergewöhnlicher Bilder machen deutlich, dass in Webcam-Aufnahmen ein überraschendes, zuweilen surreales oder gar subversives ästhetisches Potenzial steckt, das neue Arten der Bildproduktion genauso hinterfragt wie das Konsumieren von Bildern, sei es im Internet oder in einer Ausstellung. Darüber hinaus reflektieren sie auf spielerische Weise unser heutiges Dasein im paradoxen Spannungsfeld von Exhibitionismus und Überwachung.
Fisch, Kurt Caviezel
In «Global Affairs – Erkundungen im Netz», seiner ersten grossen Einzelausstellung, zeigt Kurt Caviezel grössere Werkgruppen und animierte Bildserien aus allen Bereichen des Lebens: aus der geschützten Privatsphäre ebenso wie aus überwachten Aussenräumen. Dazwischen schieben sich Fehlermeldungen, individuelle Botschaften, Bildstörungen und elektronische Übertragungsfehler, die sich als «schöne Unordnungen» (Caviezel) der mediatisierten Wahrnehmung der Welt überlagern und ein irritierendes Eigenleben entwickeln.
(fsw/mc/th)
Künstlergespräch mit Kurt Caviezel in der Ausstellung, moderiert von Martin Gasser: Sonntag, 27. Februar 2011, 11.30 Uhr