Markus Raetz, Szene, 2008-2010, steel wire, aluminum, dimensions variable. (Foto: zvg)
Zuoz – Zeichnung findet traditionsgemäss auf einer Fläche statt: sie wird mit Bleistift, Kugelschreiber oder Pinsel auf Papier aufgetragen. Seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts begannen einzelne Künstler, die Grenzen dieses Mediums zu sprengen, um neue Möglichkeiten zu erkunden. Sie lösten die Linien von der Fläche und gaben ihnen Autonomie im dreidimensionalen Raum.
Sie benützen dazu Metalldraht, Holz und verschiedenste Gegenstände, sowie Licht und Schatten. Bald kam eine weitere Dimension dazu: die Bewegung, also die Zeit, die vierte Dimension. Die Linien schweben und bewegen sich im Raum. In der Ausstellung «Drawing in Space“ zeigen wir einige der bedeutendsten Künstler, die seit den fünfziger Jahren bis heute in diesem Bereich arbeiten.
Fausto Melotti (*1901 Rovereto – 1986 Mailand), eine der führenden Figuren der italienischen Nachkriegskunst, baute schon in den fünfziger Jahren poetische Formen und Figuren aus Kupfer- und Stahldraht.
Gianni Colombo (*1937 Mailand – 1993) war einer der ersten, der Linien und Formen in Bewegung brachte und damit die kinetische Kunst erfand. Mit Linien aus Draht oder Gummifäden schuf er geometrische Formen, die sich ständig verändern und immer wieder neue räumliche Erfahrungen entstehen lassen.
Der Schweizer Künstler Markus Raetz (*Bern 1941) analysiert die visuelle Wahrnehmung mit poetischen Bildern und benützt oft dreidimensionale Zeichnungen, um räumliche Formen und Figuren als Mobiles kontinuierlich in Bewegung zu setzen. Seine Plastik «Szene“ zeigt zwei Tänzer vor einem Trapez: die Tänzer kreisen langsam, während das Trapez im Raum wechselnde Positionen einnimmt und dadurch zuerst als Bühne, dann als Wand, Spiegel oder Fenster erscheint.
Die geometrischen Formen des in Paris lebenden Tessiner Künstlers Felice Varini (*Locarno 1952, lebt in Paris) scheinen klar und deutlich im architektonischen Raum zu schweben. Sobald man sie jedoch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, sieht man nur noch verzerrte Fragmente. Die Formen sind auf Wände, Böden und Decken gemalt und bilden ein fast magisch schwebendes Bild: ein verspieltes optisches Phänomen, das die Relativität von Raum und Zeit zum Ausdruck bringt.
Der kroatische Konzeptkünstler Goran Petercol (* 1949 Pula), der in seiner Arbeit Gegensätze wie Planung und Zufall gegenüberstellt, komponierte mit seinen Skulpturen des Zyklus «Sjene“ (Schatten) Zeichnungen die aus dem Zusammenspiel aus Drahtstücken und ihren Schatten entstehen.
Die geometrischen Strukturen des venezuelanischen Künstler Elias Crespin (*1965, Caracas) schweben und bewegen sich langsam nach einer genauen Choreographie, mit Abfolgen, die an einen Tanz erinnern. Die Konstellationen verändern sich langsam und durchlaufen verschiedene Stadien der Ordnung und Unordnung. Seine Werke findet man in bedeutenden Museen, wie im Museum of Fine Arts Houston, in Buenos Aires und im Museo del Barrio in New York.
Andres Lutz (*1968 Wettingen) und Anders Guggisberg (*1966 Biel) zählen mit ihrem vielseitigen Schaffen zu den wichtigsten Schweizer Künstlern ihrer Generation. Durch ihren inhaltlichen Variationsreichtum und unter Verwendung unterschiedlicher Medien gelingt es den beiden, sich immer wieder neu zu erfinden, wobei ihre Handschrift unverkennbar ist. Stets begegnen sie den Motiven mit einer nonchalanten Frische und einem ausgeprägten Feingefühl, die sie im Spannungsfeld zwischen Ernsthaftigkeit und lakonischem Witz balancieren lassen. Sie werden in der Ausstellung eine grosse Zeichnung im Raum bauen, die aus den verschiedenen Materialien und Gegenständen zusammengesetzt wird.
Die Arbeiten des ungarischen Künstlers Attila Csörgö (* 1965 Budapest) kreisen um die Beziehungen zwischen Kunst, Wissenschaft und Forschung. Der Künstler macht wissenschaftliche Experimente und baut komplexe Maschinen. Die Resultate sind unerwartet, ironisch verspielt, poetisch und doch auch technisch genau. Er visualisiert die Falllinie des Würfels, oder überlegt, wie man aus Flächen eine Orange bauen kann. In der Ausstellung zeigen wir die Skulptur „Spherical Vortex“, in der eine winzige Lampe in rasante kreisende Bewegung versetzt wird, so dass sie Lichtlinien bildet, die zuerst Spiralen, dann eine Kuppel und schliesslich eine vollumgängliche Kugel entstehen lassen. Csörgö vertrat 1999 sein Land an der Biennale von Venedig. Er nahm auch 2003 an der Istanbul Biennale, 2008 an der Sydney Biennale und 2012 an der Documenta in Kassel teil. 2008 bekam er den Nam June Paik Award. (mc/pg)
Vernissage: Samstag, 15. Februar, ab 18 Uhr (in Anwesenheit von Markus Raetz, Lutz & Guggisberg, Elias Crespin, Attila Csörgö und Felice Varini)
Ausstellung: 15. Februar – 19. April 2014
Öffnungszeiten: Dienstag–Samstag 15–19 Uhr
Monica De Cardenas Galleria, Zuoz
Monica De Cardenas Galleria, Zuoz
Die Oberengadiner Dépendance der Mailänder Galeristin Monica de Cardenas befindet sich in einem Bauernhaus aus dem 15. Jahrhundert, das 2006 vom Architekten Hans-Jörg Ruch mit viel Gespür für die Spannung zwischen alter Bausubstanz, Tradition und Moderne umgebaut wurde. In den Wintermonaten treffen sich hier Künstler, Kunstliebhaber und -kenner, die alle etwas mehr Zeit, Ruhe und Gelassenheit mitbringen, abseits der grossen und hektischen Kunstmetropolen.