Genf – Easyjet-Europachef Thomas Haagensen kann nicht nachvollziehen, dass seine Fluggesellschaft bei der Vergabe des Hilfspakets der Schweizer Regierung für Airlines leer ausging. Er hofft noch immer auf eine baldige Lösung, wie er im Interview mit der CH Media-Zeitungen vom Freitag sagte.
«Es sollte doch kein Nachteil für uns sein, dass wir so rasch wie möglich reagiert haben und für eine gesunde Liquidität gesorgt haben», kommentierte Haagensen die Begründung des Bundesrates, Easyjet keine Staatshilfe zu gewähren. Der Bundesrat hatte argumentiert, dass die britische Muttergesellschaft über ein genügend grosses Liquiditätspolster verfüge, um ihrer Tochter Easyjet Switzerland durch die Krise zu helfen.
Risiken gemeinsam tragen
«Ich erwarte, dass alle Firmen, die hier basiert sind und hier Leute anstellen, berücksichtigt werden», sagte Haagensen. Easyjet sei deshalb noch immer im Gespräch mit der Regierung und hoffe auf eine baldige Lösung. Gleichzeitig sei man auch mit anderem Partnern im Gespräch, beispielsweise mit den Flughäfen, um die Kosten für Flughafengebühren zu senken. «Wir müssen schauen, dass alle das Risiko gemeinsam tragen können», sagte Haagensen.
Die Muttergesellschaft aus London hatte am Vortag bekannt gegeben, sie wolle von den insgesamt 15’000 Stellen bis zu ein Drittel streichen und ihre Flotte verkleinern. Was der Stellenabbau für die knapp 1’000 Mitarbeitenden in der Schweiz bedeutet, ist allerdings noch unklar.
Geduld gefragt
Bei den Rückzahlungen der Kundengelder für gestrichene Flüge «müssen wir unsere Kunden um Geduld bitten, da der Ansturm sehr gross war», sagte Haagensen. Diese Anfragen abzuarbeiten brauche Zeit.
Reduzierter Flugbetrieb
Ab Mitte Juni startet Easyjet wieder mit dem Flugbetrieb, vorerst aber nur ab Genf. «Wir schauen uns momentan die Pläne für den Juli an, und ich hoffe, dass wir dann auch ab Zürich und Basel wieder abheben können», sagte Haagensen. Für einen definitiven Entscheid sei es aber noch zu früh.
Die Nachfrage liege allerdings unter dem Niveau des Vorjahres. Easyjet führe deshalb im Juni deutlich weniger Flüge durch als normal.
Welches Flugvolumen auf das gesamte Jahr gerechnet erreicht werde, könne er noch nicht prognostizieren, sagte Haagensen. Die Lage ändere sich rasch und die Situation sei in jedem Land anders. «In unserem Simulator-Center in Mailand herrscht inzwischen fast schon wieder Normalbetrieb. Davon ist man in Grossbritannien noch weit entfernt.»
Weiterhin gegen Kerosinsteuer
Easyjet rechnet gemäss einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme damit, dass sich der Flugbetrieb erst 2023 vollständig von der Krise erholen werde. Diese werde ihre Spuren an Bord und in der Buchhaltung hinterlassen, sagte der Europachef. «Denn all die Liquiditätsmassnahmen kommen nicht gratis.» Weil man alle Kredite zurückzahlen müsse, müssten bestimmte Projekte verschoben werden.
Dazu gehört beispielsweise die Erneuerung der Flotte, wie Easyjet kürzlich ankündigte. Es werden also länger die älteren und weniger umweltfreundlichen Flugzeuge verwendet. Easyjet lehnt die geplante Schweizer Kerosinsteuer jedoch weiterhin ab, wie Haagensen betonte: «Um nach einer solchen Krise die Aviatikindustrie wieder zu stabilisieren, sind zusätzliche Steuern nicht hilfreich.»
Allerdings halte Easyjet an seinem Engagement für nachhaltiges Fliegen fest, kompensiere den CO2-Ausstoss und setze langfristig auf Innovationen wie elektrisches Fliegen.
Obwohl Experten vermuten, dass die Flugpreise wegen der Krise künftig steigen werden, wolle Easyjet nach wie vor «wettbewerbsfähige Preise» anbieten, die von der Nachfrage bestimmt würden. «An der Preisdynamik wird sich nichts ändern», sagte Haagensen. (awp/mc/pg)