Hodler, der kreative Künstler

Veranstaltungsplakat des Musée d’art et d’histoire (Ausschnitt).

Genf – Am 28. September 2018 wird im Rahmen des Hodler-Jahrs ein neues Kapitel aufgeschlagen, in dessen Mittelpunkt die kreative Tätigkeit des Künstlers steht. Die Besucher/innen des Musée d’art et d’histoire in Genf können anhand von drei neuen Präsentationen das künstlerische Vorgehen und die Technik Ferdinand Hodlers entdecken.

Hodler: Einflüsse und Nachleben vereinigt unter ein und demselben Titel drei Präsentationen, die in die Dauerausstellung des Musée d’art et d’histoire integriert sind. Auf diese Weise wird im Gedenkjahr die Erforschung des Lebens und des Werkes von Ferdinand Hodler mit einem Fokus auf deren geheimste Aspekte fortgesetzt. Während in den Kunstgalerien eine Auswahl von mehreren Dutzend seiner Notiz- und Zeichenhefte sowie eine Studienausstellung über die wissenschaftliche Unter-suchung und die Konservierung seiner Werke zu sehen sind, werden Hodlers Bilder im Waffensaal mittels der traditionellen Figur des Schweizer Kriegers neu gedeutet.

Kunstgalerien

Hodlers Zeichenhefte: ein Schatz im Taschenformat
Das Cabinet d’arts graphiques des Musée d’art et d’histoire besitzt einen einzigartigen Schatz: 241 Notiz- und Zeichenhefte Ferdinand Hodlers, die dessen Witwe aufbewahrte und die das Museum 1958 und 1976 erwerben konnte. In seinen Heften, die der Maler stets bei sich trug, notierte er unablässig prosaische häusliche Gedächtnisstützen, aber auch künstlerische Inspirationen und Einfälle. Waren sie bisher vor allem den Spezialisten bekannt, so sind sie seit April in einer Publikation (Caroline Guignard, Les Carnets de Ferdinand Hodler, Reihe «Reflets des collections», Musée d’art et d’histoire, Genf 2018) zugänglich und nun in einer Auswahl von mehreren Dutzend Stücken öffentlich zu sehen.

Von bescheidener Grösse (ca. 170 x 120 mm, 30–40 Seiten), sind diese preiswerten Hefte an ihrem blauen Umschlag mit der weissen Etikette leicht zu erkennen. Sie wurden in letzter Sekunde von dem Kunsthistoriker Jura Brüschweiler gerettet, der Berthe Hodler-Jacques überzeugen konnte, sie nicht zu verbrennen, und künden von einer unaufhörlichen Tätigkeit des Malers, der sie mit Bleistift, Farbstiften und seltener mit der Feder füllte. So stösst man beim Blättern auf Kompositionsstudien zu berühmten Gemälden (Die Nacht, Der Tag, Die Schlacht bei Marignano, Blick in die Unendlichkeit, Einmütigkeit, Bezauberter Knabe…), zwischen denen technische Notizen, Abrechnungen, aber auch intimere Skizzen eines Liebenden und Familienvaters zu finden sind. Die Besucher/innen können sich in diese «intimen Journale der Kreativität» vertiefen, um einen Blick hinter die Kulissen eines Menschenlebens zu werfen und zudem den Schaffensprozess einiger seiner Meisterwerke von der ersten Idee bis zur Endfassung zu entdecken.

Hodle(r)estauriert
Die Vorbereitung des Hodler-Jahrs bot Gelegenheit, 2017 ein Studienprojekt und eine Konservie-rungs- und Restaurierungskampagne für 32 von Ferdinand Hodler signierte Gemälde durchzuführen. Anhand von drei Bildern, welche die Vielfalt seines Werkes veranschaulichen – Bildnis Francine Maylac (1916), Mann mit Holzbein (um 1892) und die erste Fassung von Bezauberter Knabe (um 1893) – werden hier die verschiedenen Etappen ihrer Entstehung vorgestellt und durch druckgrafische Werke, Vorzeichnungen und eine umfassende wissenschaftliche Bilddokumentation illustriert.

Um zu ermitteln, welche Massnahmen sich für jedes Bild aufdrängten, wurde es einer Vorprüfung unterzogen. Der Grad der Intervention kann von der schlichten Neumontierung des Werkes in seinem Rahmen bis zur grundlegenden Restaurierung reichen. Die materiellen Befunde werden durch eine wissenschaftliche Bilddokumentation ergänzt, welche die Hauptetappen der Entstehung der Bilder illustriert. So erlaubt zum Beispiel die UV-Fluoreszenzfotografie, spätere Überarbeitungen des Bildes durch den Maler, aber auch mehr oder weniger missbräuchliche Restaurierungseingriffe wie zum Beispiel Übermalungen festzustellen. Die Infrarotreflektografie macht die Striche der durch die Farbschicht verdeckten Unterzeichnung oder bestimmte Verfahren zur Übertragung des Motivs von einem Papierblatt auf die Leinwand sichtbar. Schliesslich bringt die Radiografie Kompositions-änderungen und andere Eingriffe des noch unschlüssigen Künstlers zum Vorschein.

Ein eigens gedrehter Dokumentarfilm und didaktische Elemente, die den Ablauf der Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten zeigen, vervollständigen die Präsentation und stellen die Frage nach der materiellen Konservierung der Werke. So trägt diese Kampagne dazu bei, neue Erkenntnisse über die von Hodler verwendeten künstlerischen Verfahren zu gewinnen sowie die eingesetzten Materialien und die verschiedenen Veränderungsphänomene zu beleuchten.

Waffensaal
Hodler und der Schweizer Krieger: von der historischen Figur zur patriotischen Ikone

Ferdinand Hodler ist im Waffensaal zu Gast im Rahmen einer ungewöhnlichen Präsentation, in der die traditionelle Figur des Schweizer Kriegers in Szene gesetzt sowie Gemälde des Meisters und historische Waffen einander gegenübergestellt werden.

Die Figur des Kriegers, die ein Erbe der Söldner-Maler des 16. Jahrhunderts ist, stösst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auf neues Interesse in der künstlerischen Produktion der Schweiz, da der junge Bundesstaat nach Bildern sucht, die durch die Verherrlichung der historischen Vergangenheit das vaterländische Gefühl preisen. Hodler eignet sich dieses Sujet an, zu dessen wichtigsten Interpreten er wird, und mit dem er sich in seinem Kampf um die Durchsetzung seiner innovativen Kunst mehrmals identifiziert. Obwohl die Historienbilder in seinem Werk keine vorherrschende Rolle spielen, trugen sie erheblich zur Bekanntheit des Künstlers bei. Indem er sich der idealisierten Figur des urtümlichen eidgenössischen Kriegsknechts bemächtigte, schuf er, nicht ohne zunächst eine Polemik auszulösen, Bilder, die sich als wahre nationale Ikonen durchsetzen sollten.

Gegenüber einem Krieger mit Hellebarde (1895), den Hodler für den Palais des beaux-arts der Landesausstellung 1896 in Genf schuf, der Murtenschlacht (1917) und Dietegen, den Rückzug von Marignano deckend (1906–1907) kann der Besucher Objekte der Sammlung alter Waffen (wieder) entdecken, welche die Ausrüstung der eidgenössischen Krieger zur Zeit der Burgunder- und Italienkriege illustrieren. Unter ihnen zeugen einige materielle «Souvenirs», die aus den Schlachten von Murten (1476) und Marignano (1515) stammen sollen, von der symbolischen Aura, in die diese historischen Episoden getaucht sind.

Zur Abrundung der Präsentation gewähren zwei Zeichenhefte Hodlers Einblicke in die Dokumen-tationsarbeit, mit der sich der Maler über die Kleidung und Bewaffnung seiner Krieger informierte, und welche die Vorwürfe seiner Verleumder entkräftet. Seine Hefte füllte er mit Notizen und Skizzen nach Werken alter Meister und von Waffen, die er in verschiedenen Schweizer Zeughäusern, aber auch im Genfer Waffensaal studierte.

Dieser Dialog zwischen Gemälden, Vorzeichnungen und historischen Objekten veranschaulicht nicht nur den Schaffensprozess des Künstlers, sondern stellt auch sein Werk in den Kontext einer Zeit, die nach identitätsstiftenden Symbolen suchte. Davon zeugen die bekannten, für das Schweizerische Landesmuseum in Zürich bestimmten Darstellungen der Schlachten von Murten und Marignano, für die das Musée d’art et d’histoire zahlreiche Vorarbeiten besitzt. Der letzte Karton des berühmten Rückzugs von Marignano, der dem Maler heftige Kritik einbrachte, ist dafür ein aufschlussreiches Beispiel. (Musée d’art et d’histoire/mc/ps)

Musée d’art et d’histoire

Exit mobile version