Von Jonathan Spirig, Travelcontent
Frau Soukop, kann man in Zeiten der Klimadebatte überhaupt noch KreuzfahrtFerien machen?
Ulrike Soukop: Natürlich, warum nicht? Kreuzfahrten sind ein wunderschönes Produkt, und das darf man sich als Highlight auch gönnen. Zum Thema Klimaschutz hat jeder seinen persönlichen Zugang, und ich finde es positiv, dass das Thema derzeit so konstruktiv diskutiert wird. Auch die Kreuzfahrtbranche ist sehr aktiv damit beschäftigt, umweltfreundliche Alternativen etwa im Bereich der Kraftstoffe zu entwickeln. Costa und AIDA, beides Firmen der Carnival Corporation, sind Vorreiter auf diesem Gebiet.
«Im Herbst sticht das erste mit Flüssigerdgas (LNG) – dem derzeit saubersten fossilen Brennstoff – betriebene Costa-Schiff in See, die Costa Smeralda.»
Ulrike Soukop, General Manager Sales & Marketing Central Europe Costa Kreuzfahrten
Die Nachfrage nach Kreuzfahrten ist in den letzten Jahren steil angestiegen – auch in der Schweiz. Spüren Sie nun einen Knick in der Nachfrage-Kurve?
Nein. Mit einem Anteil an Kreuzfahrern von 1,8% der Gesamtbevölkerung gehört die Schweiz zu den Top-Ländern in Europa. Wir haben in der Schweiz eine sehr gute Marktdurchdringung – die Schweizer mögen u.a. das italienische Flair auf unseren Schiffen. Da die Nachfrage weiter steigt, werden das Angebot auf den Schiffen und die Flotten selbst breiter und vielfältiger – auch bei uns.
Wodurch zeichnet sich der Schweizer Kreuzfahrten-Markt besonders aus?
Unsere Schweizer Kundschaft hat ein vergleichsweise hohes Reisebudget, was sich in der Wahl der Kabine zeigt, sie buchen z.B. oftmals Suiten. Die Reisedauer ist etwas länger als beispielsweise bei unseren österreichischen Gästen. Schweizer buchen ausserdem verhältnismässig häufig eine unserer Weltreisen. Zudem sind die Schweizer besonders loyale Gäste. Der Weiterempfehlungswert (NPS) liegt bei 59%, und liegt damit im Spitzenfeld bei Costa.
Sie haben es bereits angesprochen: Neue Schiffe fahren heute nicht mehr mit Schweröl, sondern mit umweltfreundlicherem Flüssigerdgas (LNG). Können Sie dazu noch etwas ins Detail gehen?
LNG ist bei Costa bereits seit Jahren ein Thema, es wurde intensiv geforscht, mit dem Ergebnis, dass diesen Herbst unser erstes, nur mit LNG betriebenes Schiff einsatzbereit sein wird. Die Costa Smeralda ist das erste Schiff dieser neuen Generation. Im Jahr 2021 folgt ihr Schwesterschiff, die Costa Toscana, die ebenfalls komplett mit LNG betrieben wird.
«Mit neuen Methoden zur Energiegewinnung, wie etwa Power to Gas, könnte LNG künftig sogar vollständig CO2-frei gewonnen werden.»
Was bringt das konkret?
Im Vergleich zu herkömmlichem Marinedieselöl mit 0,1% Schwefelanteil werden die Emissionen bei Flüssigerdgas erheblich gesenkt. Der Ausstoss von Stickoxiden und CO2 verringert sich wirklich deutlich. Feinstaub und Schwefeloxide werden fast ganz vermieden.
Und es geht noch einen Schritt weiter. Mit neuen Methoden zur Energiegewinnung, wie etwa Power to Gas, könnte LNG künftig sogar vollständig CO2-frei gewonnen werden. Wir könnten damit langfristig eine klimaneutrale Schifffahrt anstreben Die Costa Gruppe unterstützt die Weiterentwicklung dieser Ansätze auf jeden Fall in verschiedenen Forschungsprojekten.
Ist LNG eine langfristige Lösung?
LNG ist eine Antriebstechnologie für die nächsten zehn, vielleicht fünfzehn Jahre. Die darauffolgende Technologie dürften unserer Einschätzung nach Elektro-Batterien werden. Diese sind aber noch nicht ausreichend entwickelt, um ein Hotelschiff auf Sieben-Tages-Routen mit genügend Energie versorgen zu können.
«Bis Ende 2020 wird die komplette Costa-Flotte mit Advanced Air Quality-Systemen (AAQS) ausgestattet. Die Massnahme ist Teil eines Investitionsprogrammes in Abgasfilter-Technologie der Carnival Corporation im Wert von 400 Mio. US-Dollar.»
Die Abgase sind aber derzeit noch ein grosses Thema. Was machen Sie?
Wir setzten – übrigens freiwillig – Advanced Air Quality-Systeme (AAQS) ein, um Emissionen zu senken. Derzeit sind diese auf zehn Schiffen installiert. Bis Ende 2020 wird die komplette Costa-Flotte mit AAQS ausgestattet. Die Massnahme ist Teil eines Investitionsprogrammes in Abgasfilter-Technologie der Carnival Corporation im Wert von 400 Mio. US-Dollar. Die Abgasnachbehandlungssysteme filtern Feinstaub um mindestens 50% und Schwefeldioxide fast vollständig aus der Abluft. Und Costa hat damit begonnen, die AAQS mit Water-Fuel-Emulsion nachzurüsten, um die NOxEmissionen zu reduzieren. Bis Juli werden sechs Costa-Schiffe damit ausgestattet sein.
Manche Schiffe lassen angeblich den Motor im Hafen laufen, anstatt den Landstromanschluss vor Ort zu nutzen. Stimmt das und wie macht das Costa?
Wir sind bestrebt, unsere Schiffe in den Häfen mit Landstrom zu versorgen, und unsere Schiffe sind technisch auch darauf vorbereitet. Dabei sind wir jedoch auch auf die Bemühungen der Häfen in den einzelnen Städten angewiesen. Leider sind noch lange nicht alle mit Landstrom ausgerüstet. Im Moment prüfen wir, welche unserer Schiffe Häfen mit Landstromsystemen anlaufen, dort macht eine Montage entsprechender Stecker Sinn. Innerhalb des nächsten Jahres wollen wir vier Schiffe mit Steckern ausstatten.
Auf einem Kreuzfahrtschiff fallen sicher viele Lebensmittelabfälle an. Was tut Ihr Unternehmen gegen Foodwaste?
Dies ist tatsächlich ein Thema, an dem wir schon seit Jahren arbeiten. Es gibt ein eigenes Projekt dafür, das 4GoodFood heisst. Wir überprüfen dadurch ständig alle unsere Prozesse im Bereich Food-Service. Gäste werden mit dem Projekt «Taste, don’t waste» angeregt, ihr eigenes Verhalten am Buffet zu überdenken. Übriggebliebene Produkte und Speisen spenden wir in ausgewählten Häfen an Bedürftige in Zusammenarbeit mit der Banco Alimentare. Ausserdem unterstützen wir das von der Slow Food Foundation for Biodiversity geförderte Netzwerk von Food Gardens in Afrika.
«Übriggebliebene Produkte und Speisen spenden wir in ausgewählten Häfen an Bedürftige in Zusammenarbeit mit der Banco Alimentare.»
So oft wie möglich verwenden wir regionale Lebensmittel und analysieren den Verbrauch mit dem System Winnow. Das hilft auch, unseren CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Im Vergleich zum Februar 2018 wollen wir bis 2020 die Lebensmittelabfälle an Bord unserer Schiffe um die Hälfte reduzieren.
Und der Non-Food-Waste?
Es gibt eine 100%-Mülltrennung bei festem Abfall an Bord. Wo es möglich ist, werden die Abfälle an Partnerorganisationen zum Recycling übergeben. Dinge, die an Bord ersetzt werden, aber noch verwendbar sind, werden an lokale Organisationen gespendet.
Auch zum Overtourism trägt die Kreuzfahrtindustrie ihren Teil bei. Fährt Costa noch nach Venedig oder Dubrovnik?
Die Herausforderung Overtourism betrifft alle Reedereien, und es ist für uns – und übrigens auch für den internationalen Kreuzfahrtverband CLIA – ein wichtiges Thema. Costa passt ihre Routen an die Bedürfnisse ihrer Kunden an und bietet sowohl die klassischen Häfen wie auch kleinere, weniger entdeckte Städte wie z.B. Tarragona in Spanien statt Barcelona an. Sofern Auflagen von extern bestehen, halten wir uns natürlich daran.
Versuchen Sie generell die Gästeströme in irgendeiner Form zu lenken, damit keine Überflutung der Hafenstädte entsteht?
Während des Aufenthalts bieten wir unseren Gästen ein vielfältiges Programm und verschiedene Aktivitäten an, durch die das Problem des Overtourism entzerrt wird. Es gibt spezielle und auch neue Ideen für Landausflüge – etwa solche mit Fitnessfaktor. Viele geniessen oft auch einfach einen ruhigen und doch abwechslungsreichen Tag an Bord und nutzen die zahlreiche Unterhaltungsmöglichkeiten von Wellness-Oasen über Restaurants bis zu den Shopping und Sportmöglichkeiten.
Ulrike Soukop Ulrike Soukop leitet seit September 2019 die Vertriebs- und Marketingaktivitäten für Costa in der Schweiz, Österreich und dem ECE-Raum (Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien) und ist seit Oktober 2019 General Manager Central Europe ad interim. Soukop ist seit 2000 für Costa tätig und wurde 2003 Geschäftsführerin von Costa Kreuzfahrten Österreich. Darüber hinaus ist sie seit 2009 Vorsitzende des Kreuzfahrtausschusses, der vom ÖRV (Österreichischer ReiseVerband) ins Leben gerufen wurde. |