Kirchner Museum Davos: «…heute kam den ganzen Tag Besuch» Kirchners Gäste
Davos – Ernst Ludwig Kirchner war mit Gewissheit kein grosser Reisender. Er spazierte vielmehr durch die Landschaft und zuweilen ins »urbane« Davos, wo er sich im Café Schneider aufhielt und die Gäste zeichnete. Ansonsten scheint er den Rundblick über die erhabene Bergwelt gepflegt zu haben und gleichsam um sein Atelier gekreist zu sein. Daher musste Kirchner darauf zählen, dass die Leute die Reise zu ihm nach Davos auf sich nahmen.
Die Davoser Motive, vor allem die Berge, die Wälder und die hier lebenden Menschen waren für Kirchner der Anlass, um über seine Kunst neu nachzudenken. Während der erste Wohnort in einer Hütte auf der Stafelalp noch eher zufällig zustande kam, wurden das Haus «In den Lärchen» und später das «Wildbodenhaus» sicherlich bewusst gewählt. Kirchner suchte eine gewisse Abgeschiedenheit und die unmittelbare Nähe zur Natur. Er verbrachte die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens in einem nur wenige Quadratkilometer grossem Gebiet – allerdings mit jeweils grandioser Aussicht auf das Landwassertal und die benachbarten Bergmassive. Man könnte Kirchner einen «armchair traveller» nennen, der seine Kenntnisse der Kunst aus Büchern und Kunstzeitschriften bezog, selbst jedoch nie die Sehnsucht verspürte, fremde Länder zu bereisen.
Aus den zahlreichen Briefen Kirchners geht hervor, dass er oft um Besuch bittet und für den Besuch dankt, der aus aller Welt zu ihm nach Davos kommt – mit manchmal längerem Aufenthalt. Künstlerfreunde und Schüler, Sammler, Förderer, Museumsdirektoren, Galeristen und Modelle waren darunter. Aber auch private Besuche wie von seinem Bruder Ulrich, Freunde von ihm und seiner Frau Erna Schilling, seine Ärzte und die benachbarten Bauernfamilien und Bekannte aus der Umgebung bis hin zum Besuch seines alten Ego Louis de Marsalle finden in den Schriftstücken Erwähnung.
Arbeiten aus allen Schaffensphasen mit Schwerpunkt Davoser Zeit
Die Sommerausstellung 2019 legt den Schwerpunkt auf eben diese Besucher*innen. In allen klassischen Werkgruppen Malerei, Druckgrafik, Zeichnung und Fotografie werden die Gäste festgehalten. Kirchner machte es zum Ritual, seine Besucher vor einem Fenster seines Wohnhauses auf dem «Wildboden» zu fotografieren. Zahlreiche Porträts verschiedenster Techniken entstanden anschliessend. Präsentiert werden Arbeiten aus allen Schaffensphasen mit Schwerpunkt Davoser Zeit.
Die weltweit umfangreichste und einzigartige Sammlung des Kirchner Museum Davos wird in der Ausstellung in den Fokus gerückt. Alle wichtigen Themen im Schaffen Kirchners sind repräsentativ vertreten von der »Brücke«-Zeit bis zum Schweizer Spätwerk. Die Mehrzahl der Gemälde stammt aus der Davoser Zeit. Hinzu kommen zahlreiche Briefe und Dokumente zum Leben und Werk des Künstlers.
Damit die Sammlung des Museums immer neue Impulse erfährt und lebendig bleibt, gehören dazu auch Werke aus anderen Sammlungen, die für einige Zeit in unser Haus kommen und als längerfristige Leihgaben die eigene Präsentation sinnvoll ergänzen und neu beleuchten. (KMD/mc/hfu)