Kunsthaus Zürich – Die Highlights des kommenden Jahres
Pipilotti Rist, Worry Will Vanish Horizon, 2014, Audio-Videoinstallation, Installationsansicht, Hauser & Wirth, London, 2014 (Courtesy the artist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine)
Das Jahresprogramm 2016 des Kunsthaus Zürich enthält Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst und zu historischen Positionen, darunter zwei Beiträge zum 100-jährigen Geburtstag der Dada-Bewegung. Monografische Höhepunkte wie Miró und Tomi Ungerer starten 2015 und finden mit Pipilotti Rist, Francis Picabia und Alberto Giacometti eine Fortsetzung. Thematische Accrochagen widmen sich dem Selbstporträt und dem Architekturbild. Ein Überblick.
JOAN MIRÓ – MAUER, FRIES, WANDBILD. 2.10.15 – 24.1.16
Rund 70 grossformatige Wandbilder im Kontext des Gesamtwerks eröffnen ein neues Verständnis für Mirós individuellen Zugang zur Malerei. In seinem Schaffensprozess ging es dem vielseitigen Künstler vorwiegend um «reine», einfache Formen und die Oberfläche der Wand, welche Ausgangspunkt und Ursprung seiner Malerei war. Sein Verhältnis zur Wand als Bildträger erklärt die Sorgfalt, mit der Miró seine Bildgründe auswählte und vorbereitete. Jetzt können Werkgruppen mit farblich ähnlichen Grundierungen (die berühmten «blauen Bilder») oder mit gleichartigen Materialien wie Sand oder Jute zusammen gesehen werden. Die Ausstellung zeigt Werke von den 1920er- bis in die 1970er-Jahre und als besonderen Höhepunkt das fulminante Spätwerk im Umfeld der Zürcher Keramikwand «Oiseaux qui s’envolent» (1971/72). Mirós gestisch-wilde Malerei auf den teils riesigen Leinwänden verrät eine geradezu titanische Kreativität, die nur mit dem späten Picasso vergleichbar ist.
TOMI UNGERER, INCOGNITO. 30.10.15 – 7.2.16
Wer ist Tomi Ungerer? Man kennt ihn als Kinderbuchillustrator, als provokativen Grafiker, scharfzüngigen Autor und Schöpfer erotischer Illustrationen. Weniger bekannt ist seine Kunst: Assemblagen, Collagen und Plastiken. Mit vielen unveröffentlichten Positionen aus dem Besitz des Künstlers trägt die Ausstellung diesem bedeutenden Werkbereich Ungerers erstmals umfassend Rechnung.
BILDERWAHL! SELBSTPORTRÄTS UND BILDERWAHL! ARCHITEKTUR
27.11.15 – 28. 2.16 und 23.9. – 11.12.16
Was treibt Künstler an, den Blick auf sich selbst zu richten? Die Bilderwahl gibt Einblick in das faszinierende, schillernde und auch abgründige Thema der Selbstporträts. Vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart umkreist die Ausstellung Themen wie Inszenierung, Introspektion, Verkleidung und Demaskierung der eigenen Identität in insgesamt 40 künstlerischen Positionen. Die zweite «Bilderwahl!» betrachtet das Architekturbild, das in der Kunst eine lange Tradition hat. Über das Leitmotiv entscheiden die Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft anhand einer Auswahl von sechs Sammlungswerken vom Barock bis zur Gegenwart. Dabei geht es sowohl um die Darstellung von Architektur als auch um Kunst, die sich selber über das Darstellende hinaus als Architektur von Formen präsentiert.
DADAGLOBE. RECONSTRUCTED. 5. 2. – 1.5.16
«Dadaglobe» versammelt die über zweihundert Kunstwerke und Texte, welche Tristan Tzara 1921 von Künstlern zugeschickt worden waren. Dieses epochale, nie publizierte Buchprojekt findet im 100. Jubiläumsjahr von Dada endlich seine Verwirklichung: Die Zusammenführung der weltweit verstreuten Beiträge macht diese Ausstellung zu einem Meilenstein der jüngsten Dada-Forschung. Konkret umfasst die Präsentation Selbstporträts, Fotomontagen und Collagen, Zeichnungen, Buchseitenentwürfe, Gedichte und Essays, daneben Manuskripte, Drucksachen und historische Dokumente. «Dadaglobe» stellt eine beeindruckende Rundumschau über die künstlerische Vielfalt, gesellschaftspolitische Relevanz und kunsthistorische Schlagkraft von Dada dar. Mit Beiträgen von Hans Arp, André Breton, Max Ernst, Hannah Höch, Sophie Taeuber-Arp und rund 30 weiteren Künstlerinnen und Künstlern. Die Ausstellung wird vom Museum of Modern Art, New York, übernommen.
PIPILOTTI RIST. 26.2. – 8.5.16
Pipilotti Rist (*1962) ist eine wegweisende Figur der Videokunst und hat sich mit ihren sinnlich-unverfrorenen Videoinstallationen international einen Namen gemacht. Unterhaltsam, ironisch und selbstbewusst befasst sich die Künstlerin in ihren Videoinstallationen mit Konventionen und Tabus. Die Ausstellung zeigt Schlüsselwerke vom Beginn ihrer internationalen Karriere, darunter die frühen Single-Channel-Videos, mit denen sie in den 1980er-Jahren bekannt wurde. Speziell für Zürich realisiert Pipilotti Rist im weiträumigen Bührlesaal eine Installation im grossen Format und geht dabei neue künstlerische und technische Wege.
AKRAM ZAATARI. 20. 5. – 31. 7.16
Das Kunsthaus Zürich zeigt die erste Einzelpräsentation von Akram Zaatari in der Schweiz. Zaataris Fotografien, Videos und (Film-)Installationen beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Krieges und mit territorialen Konflikten – insbesondere im Nahen Osten. Zaatari untersucht die Logik religiösen und nationalen Widerstandes und reflektiert gleichzeitig den Status von Bildproduktion und -zirkulation. Der Mitbegründer der Arab Image Foundation, der 1966 im südlichen Libanon geboren wurde, hat sich an bedeutenden Gruppenpräsentationen (documenta 13, Venedig-Biennale 2013) und mit Einzelausstellungen (MoMA, u.a.) einen Namen gemacht. Heute lebt er in Beirut.
FRANCIS PICABIA. EINE RETROSPEKTIVE. 3.6. – 25.9.16
Anlass für diese wegweisende Ausstellung ist das 100-jährige Jubiläum der in Zürich entstandenen Dada-Bewegung. Die Retrospektive erkundet Picabias (1879–1953) frühe Erfolge als impressionistischer Maler und seinen essenziellen Beitrag zu Dada. Sie führt über umstrittene Pin-up-Girls bis zu den nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Abstraktionen. Unter den grossen Künstlern des 20. Jahrhunderts bleibt Picabia eine heftig diskutierte Gestalt. Zeit seines Lebens widersetzte er sich wertenden Unterscheidungsmechanismen zwischen hoher Kunst und Kitsch oder Konservatismus und Radikalismus. Oft selbstkritisch und mit beissendem Humor stellt er die Grundsätze der Moderne in Frage! Während die Werke aus Picabias Dada-Jahren bekannt sind, birgt sein Gesamtwerk noch manche Überraschung. Zu sehen sind neben rund 100 Gemälden auch Werke auf Papier, Avantgarde-Zeitschriften und Beispiele seiner Film- und Theaterarbeiten. Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art, New York, wo sie ab November 2016 auch zu sehen sein wird.
HANS JAKOB OERI. 12.08. – 23.10.16
Das Kunsthaus Zürich zeigt mit «Hans Jakob Oeri – Ein Schweizer Künstler in Paris, Moskau, Zürich» die erste Ausstellung dieses lange Zeit unterschätzten und vergessenen Malers und Zeichners. Zu seinen Lebzeiten (1782–1868) jedoch genoss er nicht nur in seiner Heimatstadt Zürich, sondern in ganz Europa Ansehen und Wertschätzung. Seine Werke waren bei Sammlern begehrt und zählen noch heute zu den qualitätsvollen und innovativen der Schweizer Kunst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1806 vollendete Oeri in Paris «Chloe», sein Meisterstück im Stil des französischen Klassizismus, nach einer Idylle von Salomon Gessner. Zur Zeit seiner Rückkehr in die Schweiz malte er um 1807 «Das Pariser Atelier». Trotz beklemmender Enge und bitterer Armut gelang Oeri ein beziehungsreiches Familien- und Freundschaftsbild, in dem die Würde der Kunst über Not, Konkurrenzdruck und Rangordnungen triumphiert.
ALBERTO GIACOMETTI: MATERIAL UND VISION. 28.10.16 – 15.1.17
50 Jahre nach dem Tod Alberto Giacomettis (1901–1966) beleuchtet eine grosse Sonderausstellung die grundlegenden Aspekte des Schaffens und die Arbeitsprozesse des weltbekannten Schweizers. Ausgangspunkt sind 75 kostbare Originalgipse aus dem Nachlass des Künstlers, die in mehrjähriger Arbeit am Kunsthaus erforscht und restauriert worden sind. Als Material hatte Gips für Alberto Giacometti eine grosse Bedeutung, war weit mehr als eine blosse Zwischenstufe zwischen Tonmodell und Bronzeguss. Gips erlaubte es dem Künstler, seine Objekte auf vielfältige Weise zu bemalen oder zu bearbeiten. Und nicht wenige Skulpturen existieren nur in einer Gipsversion. Anhand zahlreicher Meisterwerke aus allen Werkphasen stellt die Ausstellung den Umgang Giacomettis mit der Materialität seiner Werkstoffe in den Mittelpunkt und gewährt Einblicke in den schöpferischen Prozess eines Jahrhundertkünstlers. Die kostbaren und fragilen Gipse stehen dabei im Fokus; einbezogen werden aber auch viele Werke aus anderen Materialien wie Marmor, Holz und Bronze. Die Ausstellung erweitert den Bestand im Kunsthaus um bedeutende Leihgaben, vor allem aus der nicht öffentlichen Fondation Alberto et Annette Giacometti in Paris, die erstmals in dieser Fülle in der Schweiz zu sehen sind.
PETER WECHSLER. ZEICHNUNGEN. 11.11.16 – 22.1.17
Peter Wechsler (*1951) gehört zur Generation von abstrakten Künstlern, die der Zeichnung als System und sinnlichem Ereignis in der Nachfolge der Minimal Art und Konzeptkunst neue, kontemplative Ausdrucksbereiche erschlossen haben. Dabei geht es um die prinzipielle Frage: Wie können durch einen systematischen Einsatz zeichnerischer Mittel konkrete Räume und Strukturen geschaffen werden, welche die sinnliche Wahrnehmung des Betrachters aktivieren und herausfordern? In der Ausstellung wird ein Zyklus eindrucksvoller grossformatiger Bleistiftzeichnungen (1994–2008) rekonstruiert. Als erstes Kunstmuseum zeigt das Kunsthaus darüber hinaus eine Auswahl von ungerahmten Tuschpinselzeichnungen aus jüngster Zeit.
DIE SAMMLUNG: VOM MITTELALTER BIS ZUR ZEITGENÖSSISCHEN KUNST
Von seiner Struktur her ein Museum und eine Kunsthalle zugleich, bietet das Kunsthaus eine bedeutende Sammlung von Gemälden, Skulpturen und raumbezogenen Installationen. Diese umfasst Werke der westlichen Kunst vom 13. Jahrhundert bis heute. Mittelalterliche Skulpturen, Rembrandt, Rubens, Ruisdael, Claude Lorrain, Domenichino, Lanfranco, Tiepolo, Guardi, Hans Asper, Johann Heinrich Füssli sind bei den Alten Meistern anzutreffen.
Unter den Schweizer Künstlern finden sich Rudolf Koller und Robert Zünd, Arnold Böcklin, Augusto Giacometti und Felix Vallotton, Ferdinand Hodler, Giovanni Segantini und Alberto Giacometti, dessen Werk in Umfang und Qualität nirgends besser als im Kunsthaus Zürich studiert werden kann.
Die französische Malerei ist umfangreich und auf ausserordentlichem Niveau präsentiert. Sie setzt mit bedeutenden Gemälden von Géricault, Corot, Delacroix, Courbet und Manet ein und gipfelt in der umfangreichen Gruppe von Werken Claude Monets. Wichtige Bilder von Gauguin, Cézanne, van Gogh, Bonnard und Vuillard führen zur Klassischen Moderne mit Werkgruppen von Matisse, Picasso, Léger und Chagall. Unter den Expressionisten stechen Edvard Munch und Oskar Kokoschka mit Konvoluten heraus. Max Ernst, Joan Miró, Salvador Dalí und René Magritte repräsentieren den Surrealismus. Die geometrisch-konstruktive Kunst Mondrians und des De Stijl entwickelten die «Zürcher Konkreten» weiter.
Die New York School der Nachkriegszeit ist mit Pollock, Rothko, Newman ebenso vertreten wie die Pop Art (Hockney, Hamilton, Rauschenberg, Johns, Warhol, Lichtenstein). Für den malerisch expressiven Aufbruch der 1980er-Jahre stehen Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Sigmar Polke und Cy Twombly. Fotografien, Videoinstallationen und Installationen führen bis ins 21. Jahrhundert, unter anderem von Jeff Wall, Pipilotti Rist und Peter Fischli/David Weiss. Der Eintritt in die Sammlung ist mittwochs gratis!
ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, CH–8001 Zürich
Tel. +41 (0)44 253 84 84, www.kunsthaus.ch
Fr–So/Di 10–18 Uhr, Mi/Do 10–20 Uhr.