Zürich – Vom 16. August bis 3. November 2024 zeigen das Kunsthaus Zürich und das Zürcher Theater Spektakel «Cotton under my feet: The Zurich chapter», ein Projekt des international renommierten Künstlers Walid Raad. Zentrales Element der Ausstellung sind die Walkthroughs – eine Performance-Tour in Form einer Führung des Künstlers selbst durch mehrere Räume in der Sammlung des Kunsthaus Zürich. Das Projekt ist die erste Kooperation des Kunsthaus Zürich und des Zürcher Theater Spektakels und bietet einen transdisziplinären Dialog zwischen bildender Kunst und Theater.
Wofür stehen Museen im 21. Jahrhundert? Wie gehen sie mit der jahrhundertealten Verwischung der Grenzen zwischen privaten und öffentlichen Sammlungen um? Welche spezifischen Formen des Geschichtenerzählens ermöglichen Museen heute? Welche persönlichen, historischen und ästhetischen Überlegungen liegen kreativen Handlungen und ihrer Präsentation zugrunde? Wie können wir Verborgenem in Kunstwerken auf die Spur kommen und dem Schweigen lauschen, das ihnen eingeschrieben ist? Dies sind einige der Fragen, die im Mittelpunkt von Walid Raads Ausstellung «Cotton under my feet: The Zurich chapter» und der sie begleitenden Performance-Tour «Two drops per heartbeat» stehen. In diesem Projekt setzt sich der Künstler mit den wesentlichen ideologischen, wirtschaftlichen und historischen Herausforderungen auseinander, vor denen kulturelle Institutionen im 21. Jahrhundert stehen, und – was noch wichtiger ist – mit ihren ästhetischen «Gegenmitteln».
EINE LABYRINTHISCHE ENTDECKUNGSREISE DURCH DIE SAMMLUNG
Diese für Museen zentrale Fragen sind gerade für das Kunsthaus Zürich von besonderer Relevanz. Das hat unter anderem der Umgang mit der Sammlung Emil Bührle gezeigt. Als scharfsinniger Beobachter unserer Zeit geht Walid Raad von der Untersuchung einer Vielzahl von öffentlichen und privaten, westlichen und nicht-westlichen Kunstsammlungen und Museen aus. Sein Schwerpunkt liegt sowohl auf den weltlichen Kräften, die ihre Formen bestimmen, als auch auf den «jenseitigen», nicht greifbaren und unlogischen Rissen, die sie offenbaren.
Der Ausgangspunkt seines Projektes ist die Sammlung von Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza, die 1993 vom spanischen Staat erworben wurde und seither in Madrid ausgestellt ist. Die Sammlung Thyssen-Bornemisza ist aber auch eng mit der Schweiz verbunden, war sie doch über Jahrzehnte in der Villa Favorita bei Lugano beheimatet. Das Kunsthaus Zürich ist in einem breiten Sinn eng verwoben mit Privatsammlerinnen und -sammlern – nicht erst seit jüngster Zeit, sondern bereits seit den Anfängen des Museums zu Beginn des 20. Jahrhunderts, von der Sammlung Hans Schulers und Ottilie W. Roedersteins (Zugangsjahr als Schenkung 1920) bis zur Sammlung Looser (Zugangsjahr als Dauerleihgabe 2021). Mit seiner Ausstellung im Kunsthaus Zürich imaginiert Walid Raad einen weiteren Verkauf, eine weitere Übergabe und eine erneute Ausstellung einer privaten Sammlung in einem öffentlichen Museum. Der Künstler erkundet dabei eine imaginäre Welt, in der Teile der Sammlung Thyssen-Bornemisza im Kunsthaus Zürich landen.
ÄSTHETISCHE BEGEGNUNGEN MIT SELTSAMEN ARTEFAKTEN
In seiner Ausstellung und auf seiner Performance-Tour imaginiert und erzählt Walid Raad mehrere ästhetische Begegnungen mit seltsamen Artefakten, darunter ein persischer Teppich, Bilder von Wolken, mittelalterliche Becher aus Gold und Silber sowie Darstellungen amerikanischer Sümpfe und Moorlandschaften. In dem er seine eigenen Werke mit Objekten aus der Thyssen-Bornemisza-Sammlung und derjenigen des Kunsthaus Zürich in Bezug zueinander bringt, versucht der Künstler, dem seltsamen Charakter dieser Artefakte auf den Grund zu gehen. Daraus entsteht ein dichtes Gewebe von Erzählungen, das die Sammlungshistorien mit der politischen und sozialen Geschichte der modernen Welt und der Wirtschaft auf intuitive und spannungsvolle Weise verknüpft: vom Sklaventum und Rassismus in Nordamerika über den Kalten Krieg bis hin zu Krisenherden unserer Gegenwart, von Wettervorhersagetechnologien bis zum Reich der Untoten.
PERFORMANCE ALS ZENTRALES ELEMENT DER AUSSTELLUNG
Zentrales Element der Ausstellung ist eine Performance-Tour von Walid Raad von ca. 80 Minuten Dauer. Diese besonderen Führungen – Walkthroughs genannt – laden ein zu einer wunderlichen, aber lehrreichen Reise durch das Museum und regen das Publikum an, sich mit den seltsamen, schönen, nachdenklich stimmenden, erschreckenden und erfreulichen Aspekten der Kunst zu beschäftigen. Termine während des Zürcher Theater Spektakels: Do 22./29. Aug., 18 Uhr, Fr 16./23./30. Aug., 16 Uhr, Sa 17./24./31. Aug., 16 Uhr, So 18./25. Aug./1. Sept., 12 Uhr und 16 Uhr. Artist Talk am Theater Spektakel am 25. Aug., 19 Uhr. Weitere Daten: Do, 26. Sept./10./31. Okt., 18 Uhr, Fr 27. Sept./11. Okt./1. Nov., 16 Uhr, Sa, 28. Sept./12. Okt./2. Nov., 12 und 16 Uhr, So, 29. Sept./3. Nov, 12 und 16 Uhr. So, 13. Oktober, 12 Uhr: Artist Talk mit Walid Raad. Diejenigen, die nicht an den Performances teilnehmen können, erleben die Ausstellung mithilfe von Texten und einem Audioguide auf Englisch (Originalton des Künstlers), Deutsch, Französisch und Italienisch.
DER KÜNSTLER
Walid Raad (*1967, Chbanieh, Libanon, lebt in Medusa, NY) arbeitet mit Installationen, Performances, Videos und Fotografien. Mit seiner Arbeit erforscht er, wie sich historische Ereignisse physischer und psychischer Gewalt auf Körper, Geist, Kunst und Tradition auswirken. Raads Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter der documenta 11 und 13, der 14. Istanbul Biennale, der 31. São Paulo Bienal und der 50. Venedig Biennale. Er hatte Einzelausstellungen im MoMA, New York, im TBA21, Wien, im Louvre, Paris, im Stedelijk Museum, Amsterdam, und im Museo Reina Sofia, Madrid. Seine Werke befinden sich u.a. in den Sammlungen der Tate Modern, London, des Hamburger Bahnhofs, Berlin, des Walker Art Center, Minneapolis, des National Museums of Modern and Contemporary Art, Seoul, des Centre Pompidou, Paris, und des Kunsthaus Zürich.