Kunsthaus Zürich zeigt «Kader Attia. Remembering the Future»

Kunsthaus Zürich zeigt «Kader Attia. Remembering the Future»
Ausschnitt aus der Ausstellung es franko-algerischen Künstlers Kader Attia im Kunsthau.s (Foto: Kunsthaus Zürich)

Zürich – Vom 21. August bis 15. November 2020 zeigt das Kunsthaus Zürich Skulpturen, Fotos, Videos und Installationen des franko-algerischen Künstlers Kader Attia. Es ist die erste Ausstellung von Kader Attia in der deutschsprachigen Schweiz. Sie kreist um die koloniale Vergangenheit Europas und ihre Folgen.

Kader Attia wurde 1970 als Sohn algerischer Eltern in einem Vorort nördlich von Paris geboren. Die Erfahrung eines Lebens in zwei Kulturen nutzt der heute in Berlin und Paris arbeitende Künstler als Ausgangspunkt für seine bildnerische Praxis.

Neue Videinstallation
Im Zentrum der Ausstellung «Kader Attia. Remembering the Future», die insgesamt 38 Werke umfasst, steht die neue Videoinstallation «Les entrelacs de l’objet» (2020), die Attia speziell für das Kunsthaus Zürich realisiert hat. Darin thematisiert der Künstler die aktuell viel diskutierte Frage der «Restitution» nicht-westlicher, insbesondere afrikanischer Artefakte. Die Arbeit ist ein Versuch, sich dem komplexen Thema anzunähern. Historikerinnen, Philosophen, Aktivistinnen, Psychoanalytiker und Ökonomen kommen darin zu Wort. Ohne Schuldzu­weisungen trägt Kader Attia die unterschiedlichen Standpunkte zusammen­, mit dem Ziel, eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen.

Kolonialismus und seine Folgen
Die koloniale Vergangenheit Europas und ihre Folgen beschäftigen Kader Attia seit vielen Jahren. Im ersten Raum der Ausstellung zeigt der Künstler eine Reihe von Collagen sowie Recherchen, die den Verbindungen von moderner Architektur und der Geschichte des Kolonialismus nachgehen. Ein eindrückliches Sinnbild für dieses Zusammenspiel ist die grosse Skulptur «Indépendance Tchao» (2014). Diese verweist auf das inzwischen verlassene «Hôtel de l’Indépendance» aus den 1960er-Jahren in Dakar und ist aus alten Karteikästen der französischen Kolonialpolizei in Algerien gebaut. Während des Unabhängigkeitskrieges wurden in diesen Metallkästen Informationen zu den Aufständischen gesammelt.

Strukturelle Gewalt und Rassismus
Um die strukturelle Gewalt am schwarzen Körper geht es in der Arbeit «The Body’s Legacies. The Post-Colonial Body» (2018). Ausgangspunkt für das Video war ein Vorfall, der sich im Februar 2017 in einem Pariser Vorort ereignete. Damals wurde der junge Schwarze Théo Luhaka bei einer Routinekontrolle durch die Polizei brutal zusammengeschlagen und mit einem Schlagstock vergewaltigt. Diese brutale Form französischer Staatsgewalt nimmt Kader Attia zum Anlass, um darüber nachzudenken, wie es um den Körper ehemals kolonialisierter und versklavter Völker heute steht – ein brandaktuelles Thema, wenn man an den tragischen Tod von George Floyd in den USA denkt.

«Reperatur» und Kader Attia im Kunsthaus
Das Thema von «Verletzung» und «Reparatur» spielt eine wichtige Rolle in Kader Attias Werk. Etwas reparieren heisst, es wiederherzustellen. Doch gleichzeitig bedeutet Reparatur auch Unrecht ausgleichen, wie es z. B. der Begriff der «Reparaturzahlung» zum Ausdruck bringt. Attia spielt in seinen Werken mit der Doppelbedeutung des Wortes und untersucht die unterschiedlichen Konzepte, die in der westlichen und nicht-westlichen Welt hinter dem Begriff stehen. Eine eindrückliche Arbeit zu diesem Thema zeigte Attia 2012 auf der documenta (13) in Kassel. Dort füllte seine Grossinstallation «The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures» einen ganzen Saal. Zu sehen waren Holzbüsten von Menschen mit entstellten Gesichtern. Diese sog. «Gueules cassées» (zerschlagene Gesichter) waren überlebende Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, die aufgrund der grässlichen Verletzungen für den Rest ihres Lebens gezeichnet waren. Kader Attia reiste mit Fotos der Verletzten, die er in deutschen und französischen historischen Archiven gefunden hatte, nach Afrika und stellte in Zusammenarbeit mit traditionellen Kunsthandwerkern die Büsten nach den Fotos in den ehemaligen Kolonien her. Das Werk thematisiert nicht nur die Schrecken des Krieges, sondern verweist auch auf das Verhältnis der westlichen Moderne zu Afrika – und kehrt die Geschichte um. Das Kunsthaus Zürich hat 2015 eine dieser Büsten für seine Sammlung angekauft und inzwischen durch weitere Werke des Künstlers ergänzt. Neben neuen Werken sowie Leihgaben anderer Museen und aus privatem Besitz, werden sie jetzt im Kunsthaus ausgestellt. (Kunsthaus Zürich/mc/ps)

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