Kunsthaus Zürich zeigt «Matisse – Metamorphosen»
Zürich – Vom 30. August bis zum 8. Dezember 2019 zeigt das Kunsthaus Zürich Henri Matisse als Bildhauer. Die Ausstellung präsentiert Bronzen in verschiedenen Zuständen und Inspirationsquellen des Künstlers, darunter Aktfotografien und afrikanische Plastiken. Die Vermittlungsangebote sind für kunstinteressierte Laien, Fachleute und Familien gleichermassen interessant.
Mit über 70 Werken, begleitet von Reproduktionen historischer Fotografien, von Filmen und von Musik, wird Matisse’ künstlerische Methode im grossen Ausstellungssaal des Kunsthauses anschaulich inszeniert. Den Auftakt machen Skulpturen von Rodin, Maillol und Bourdelle. Ihnen eiferte der für seine farbigen Gemälde bekannte Matisse nach, bevor er sich von den Vorbildern emanzipierte. Gleichsam einer Metamorphose wandeln sich seine Figuren. Sind diese zunächst noch naturalistischen Idealen verpflichtet, erfahren spätere Schöpfungen oder weitere Bearbeitungen desselben Motivs eine immer stärkere Abstraktion.
Formale Progression in Skulptur, Gemälden und Zeichnungen
Eine formale Progression, wie in den Bronzereliefs «Nu de dos I-IV», die von einer naturalistisch anmutenden Gestaltung hin zu einer radikalen Stilisierung führt, findet sich auch in liegenden Akten («Nu couché I-III»), in grazilen Figurinen («Madeleine I-II») und voluminösen Büsten («Jeannette I-V»).
Parallelen weist auch das malerische und zeichnerische Werk Matisse’ auf. Erstmals setzt eine Ausstellung Gemälde, Papiers découpés und Zeichnungen unter diesem Aspekt in Beziehung zum plastischen Schaffen. Frappierend dabei ist, dass Matisse selber die Prozesse der Verwandlung nicht nur für sich privat dokumentierte, nein, er stellte die dokumentarischen Fotografien zusammen mit den Gemälden (z. B. «Nature morte au coquillage sur marbre noir», 1940) aus. Im Kunsthaus Zürich erfährt man die Gründe für die öffentliche Sichtbarmachung des Entstehungsprozesses durch den Künstler. Sie sind bis anhin in keiner Ausstellung näher untersucht worden.
Inspiriert von afrikanischer Plastik und Fotografie
Neben der künstlerischen Methode der Metamorphose werden in der Ausstellung weitere Schwerpunkte dargestellt, die Matisse’ plastisches Werk charakterisieren. Daran wird deutlich, wie sich der Künstler mit Rodin sowie der Kunst der Antike und der Renaissance auseinandergesetzt hat. Neu wird die Tatsache beleuchtet, dass dem Schöpfungsprozess eine intensive Beschäftigung mit fotografischen Vorlagen und mit afrikanischer Plastik vorausging.
Auflösung der Geschlechtsmerkmale
Das Stilmittel der Arabeske, gut zu sehen bei «La serpentine» (1909), charakterisiert fast alle von Matisse’ Plastiken. Auch die Auflösung eindeutiger Geschlechtsmerkmale wie bei den vier «Nu de dos» oder beim «Petit torse mince» (1930) ist ein ihm zuzurechnendes Gestaltungselement.
Bedeutende Leihgaben aus aller Welt
Im Fall der Bronzereliefs «Nu de dos» brauchte Matisse 20 Jahre, um die Metamorphose ein und desselben Motivs in extremis herauszuarbeiten. An der langen Dauer des Prozesses zeigt sich, dass die Schöpfung nie als Serie angelegt war – auch wenn sie dem Besucher heute als solche erscheint, wenn er den vier ausgestellten, überlebensgrossen Reliefs gegenübersteht. Kuratorin Sandra Gianfreda hat die erhellende Ausstellung mit Leihgaben aus berühmten Sammlungen in Kopenhagen, Washington, Baltimore, San Francisco, Paris, Moskau und Nizza zusammengestellt. Das in Nizza ansässige Musée Matisse steuert als Kooperationspartner den grössten Teil an Leihgaben bei und wird die Ausstellung aus Zürich übernehmen (7.2.–6.5.2020; Co-Kuratorin: Claudine Grammont). Matisse war, das macht diese Ausstellung bewusst, ein Künstler, der nicht nur zu malen verstand. Sein plastisches Werk gehört zu den Meilensteinen der Moderne.
Audioguides für Erwachsene und Kinder
Mit Geschichten rund um den Entstehungsprozess der Werke erhalten Erwachsene tiefere Einblicke in Matisse’ künstlerische Methode. Kinder zwischen 5 und 9 Jahren werden an die Unterschiede von zwei- und dreidimensionalem Schaffen herangeführt indem sie ausgestellte Fotografien mit den Skulpturen vergleichen. Sie erkennen, weshalb die Raubkatze, die einen Hasen frisst, genauso mit Haut und Haaren bei der Sache ist wie der Künstler, als er diese Figur schuf. Und auf Malbögen können schon die Kleinsten unter den Besuchern ausprobieren, wie sie Linien zu Figuren formen. (mc/pg)