Kunstmuseum Bern: Without Restraint.

Kunstmuseum Bern: Without Restraint.

Betsabeé Romero (*1963), Piel de casa (Haushaut / House Skin), 2001, Farbabzug auf Kodak Professional Digital Paper auf Aluminium kaschiert / Daros Latinamerica Collection, Zürich (Photo: The artist © The artist)

Bern – «Without Restraint» zeigt zum ersten Mal gemeinsam in einer Ausstellung Werke mexikanischer Künstlerinnen aus der Daros Latinamerica Collection (Zürich), der grössten und wichtigsten Sammlung ihrer Art in Europa. Sieben Künstlerinnen präsentieren im Kunstmuseum Bern ihre Lebenswelt aus dezidiert weiblicher Sicht und antworten auf internationale künstlerische Strömungen mit eigenen Ansätzen.

Ausgestellt werden in «Without Restraint» 35 Werke, darunter Fotografien, Videos, Objekte und Installationen folgender international bekannter Künstlerinnen: Ximena Cuevas (*1963), Claudia Fernández (*1965), Teresa Margolles (*1963), Betsabeé Romero (*1963), Maruch Sántiz Gómez (*1975), Teresa Serrano (*1936) und Melanie Smith (*1965).

Das vielgestaltige und provokative Werk dieser Künstlerinnen vermittelt einen Einblick in die wichtigsten Aspekte des mexikanischen Kunstschaffens der letzten Jahrzehnte. Die Ausstellung bietet gleichzeitig die Möglichkeit, kritisch über zeitgenössische Frauenkunst in Mexiko zu reflektieren und sie zu kontextualisieren. Die Werke setzen sich mit der Idee der «mexicanidad» – der nationalen Identität in Mexiko – auseinander. Sie hinterfragen die von den herrschenden Machthierarchien zugeordneten traditionellen Funktionen und sozialen Räume der Frauen und anderer Minderheiten in der mexikanischen Gesellschaft. Durch die Anwendung unterschiedlicher Medien stellen sie die bestehende Ordnung ihres Alltaglebens und die Routine auf den Kopf, die Frauen in einem Labyrinth von traditionellen Archetypen einfängt. Themen wie Leben und Tod, Gewalt, Identität und Migration, Natur und Metropole werden im Werk der Künstlerinnen mit einem kritischen Blick unterschiedlich aufgearbeitet.

Kunst von Frauen in Mexiko
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben staatliche Kunsteinrichtungen und -akademien in ganz Lateinamerika Frauen meist verschlossen und lange Zeit mussten sich Frauen, die künstlerisch tätig sein wollten, auf volkstümliche und populäre Kunst sowie Kunstgewerbe beschränken, somit auf «Hobbys», die als vereinbar mit der Hausarbeit galten. Die mexikanischen Kunstschulen und -akademien wie die angesehenen Einrichtungen San Carlos und La Esmeralda blieben bis weit in die 1960er und 1970er Jahre hinein Idealen von männlichem Chauvinismus und patriarchalischer Ästhetik verhaftet. Themen wie weibliche Sexualität, Subjektivität und Alltagsleben wurden von der vorherrschenden männlichen Mehrheit verächtlich belächelt, wenn nicht gar verboten. Dennoch leisteten einige ausserordentlich begabte Künstlerinnen wie Leonora Carrington, Maria Izquierdo, Tina Modotti, Remedios Varo und Frida Kahlo – die zweifellos berühmteste unter ihnen – bemerkenswerte Beiträge zur mexikanischen Moderne.

In Lateinamerika und in den US-amerikanischen, kanadischen und europäischen Latina-Gemeinschaften wurde feministische Kunst erst in den 1970er Jahren und 1980er Jahren durch selbsterklärte feministische Künstlerinnen und Kollektive zum Thema. Der erste explizit feministische «grupo», der sich mit geschlechtsspezifischen Themen wie Diskriminierung, Gewalt und der Stereotypisierung des Mutterseins beschäftigte, war das Kollektiv «Polvo de Gallina Negra» (Pulver der schwarzen Henne), das 1983 von den Künstlerinnen Maris Bustamante und Mónica Mayer gegründet wurde.

Obwohl Künstlerinnen in den vergangenen dreissig Jahren zunehmend Möglichkeiten hatten zu studieren, zu arbeiten und auszustellen, gilt es in Mexiko auch heute noch als Ausnahme, wenn ein Museum oder eine Galerie der Kunst von Frauen eine Einzel- oder Themenausstellung widmet. Ausstellungen, die sich feministischen Themen in den Mittelpunkt stellen erhalten international eher wenig Aufmerksamkeit. Seit den 1990er, bis heute, ist das Wort «Feminismus» mit einem Stigma behaftet.

Die Mehrzahl der zeitgenössischen Künstlerinnen möchte weder sich selbst noch ihre Kunst notwendigerweise als «feministisch» bezeichnet sehen, allein schon, um nicht in den Bannkreis des Establishments und institutioneller Vorurteile zu geraten. Ihr Werk folgt jedoch demselben Wunsch, Stereotype der Frau, der Ethnie und der sexuellen Identität zu unterwandern, und stellt sich damit als Protest gegen das mexikanische Patriarchat dar.

Ziele und Aufbau der Ausstellung
In «Without Restraint» wird einer in Mexiko nach wie vor vernachlässigten Minderheit in der etablierten Kunstszene sowohl Platz als auch eine Stimme gegeben, gleichzeitig sollen einige der Stereotype entkräftet werden, auf denen das in der westlichen Welt noch weit verbreitete exotisch überhöhte und hybride Bild von «authentisch» mexikanischer Kunst von Frauen beruht. Die Werke in der Ausstellung sind sowohl nach künstlerischen Positionen als auch thematisch angeordnet, und zwar dieser Dreiteilung folgend, die sich konzentriert auf die aktive Produktion von Raum und das Bestreben der Künstlerinnen, neue gesellschaftliche Verhältnisse zu untermauern und die überlieferten Hierarchien von Macht und Geschlechterrollen zu unterwandern: 1. Der häusliche Raum; 2. Der weibliche Körper als Raum; 3. Der urbane Raum.

70 Jahre Diplomatische Beziehungen Schweiz-Mexiko
Diese Ausstellung steht unter dem Patronat von Claudia Ruíz Massieu Salinas, Ministerin für auswärtige Angelegenheiten von Mexiko, und Bundesrat Didier Burkhalter, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie fällt mit den Feierlichkeiten für den 70. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Mexiko zusammen und wurde mit der Unterstützung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten sowie der Botschaft von Mexiko in der Schweiz realisiert. «Without Restraint» wird ermöglicht durch die artEDU Stiftung, die Prof. Otto Beisheim-Stiftung, sowie durch private und anonyme Gönner unterstützt. Sponsor der Ausstellung ist die Zurich Versicherungs-Gesellschaft AG. (KMB/mc/pg)

Rahmenprogramm zur Ausstellung

Mexikanische Filmreihe: Im Rahmen der Ausstellung zeigt das Kino Rex Bern in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bern und der Botschaft von Mexiko in der Schweiz Filme mexikanischer Regisseure und Regisseurinnen, die die Rolle der Frau in der mexikanischen Gesellschaft thematisieren: www.rexbern.ch
Gespräche in der Ausstellung:
Samstag, 04. Juni 2016, 11 h: mit Teresa Serrano (Künstlerin), Hans-Michael Herzog (ehem. künstlerischer Leiter Daros Latinamerica Collection) und Valentina Locatelli (auf Englisch)
Dienstag, 21. Juni 2016, 19 h: mit Betsabeé Romero (Künstlerin), Daniel Garza Usabiaga (künstlerischer Leiter Zona Maco, Mexiko-Stadt) und Valentina Locatelli (auf Englisch)
Öffentliche Führungen:
Sonntag, 11h: 12. Juni/28. August/25. September /23. Oktober
Dienstag, 18h: 21. Juni
Dienstag, 19h: 19. Juli mit der Kuratorin Valentina Locatelli (auf Englisch)
Visita guiada pública en español: domingo 4 de septiembre a las 11h30 y martes 18 de octubre a las 19h30
«ARTUR» Kinder-Kunst-Tour: Samstag, 18. Juni: «Grün-Weiss-Rot», 10h30 – 12h30: Auf Streiftour im Museum suchen wir Zugänge zu Kunst und regen zu kreativen Umsetzungen an. Für Kinder von 6 – 12 Jahren.

Kunstmuseum Bern

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