Zürich – Das Landesmuseum Zürich unternimmt einen Streifzug durch die europäische Kulturgeschichte des Mannes. Zeugnisse der vergangenen 2000 Jahren aus Philosophie, Gesellschaft oder Medizin illustrieren den Männlichkeitsbegriff und das Ringen um diesen.
Im Laufe der Geschichte haben Männer zahlreiche heroische Ideale für sich geschaffen: strahlende Sieger, selbstherrliche Schöpfer, Abbilder der Götter. Blickt man genauer hin, entpuppen sich diese Ideale oft auch als Überforderungen, an denen der Mann letztlich zerbrach. Seit der Antike sind die bevorzugten Schauplätze von Männlichkeit Krieg, Technik, Politik, Sport, aber auch das weite Feld von Ehe, Familie und Sexualität.
Mit rund 200 kultur- und kunstgeschichtlichen Objekten, darunter hochkarätige Leihgaben aus London, Wien und Paris, zeigt die Ausstellung, wie sich die Männlichkeitsideale im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Die Schau beweist aber auch, wie sich das Drama der Idealisierung wiederholt und sich beispielsweise das Schicksal von Zinédine Zidane nicht so sehr von jenem des griechischen Priesters Laokoon unterscheidet. Dieser hatte Sex auf dem Altar des Apollon und wurde für diese Arroganz bestraft. Vergebens kämpfte er gegen die Schlangen, welche der griechische Gott geschickt hatte, um sich zu rächen. Und weil auch der französische Ausnahmefussballer Zidane nicht gegen Überheblichkeit gefeit war und im Augenblick der Überforderung mit ordinärem Kopfstoss seinen Gegner niederstreckt, gleichen sich die beiden Männergeschichten mehr als man zuerst annimmt. Ein Gipsabguss der bedeutenden antiken Statuengruppe des Laokoon und eine zeitgenössische Videoarbeit zu Zinédine Zidane bilden den Beginn einer dichten und assoziativen Ausstellung über das Wesen Mann. Dabei fehlt auch die weibliche Perspektive nicht, denn die Auseinandersetzung mit Männlichkeit taucht immer wieder in Kunstwerken von Künstlerinnen wie Louise Bourgeois, Maria Lassnig oder Sarah Lucas auf.
Am anderen Ende der Schau schliesst der berühmte schlafenden Hermaphrodit den historischen Kreis. Das lebensgrosse antike Kunstwerk mit seinen männlichen und weiblichen Attributen hat die Phantasien und Sehnsüchte über Jahrhunderte hinweg zum Glühen gebracht. Die Möglichkeiten eines erweiterten geschlechtlichen Selbstbewusstseins werden so sichtbar gemacht und lassen die Besucherinnen und Besucher in der Hoffnung zurück, dass eine Durchbrechung der tradierten Rollenbilder einmal möglich sein wird.
Die Ausstellung «Der erschöpfte Mann» (16.10.2020 – 10.1.2021) ist nach «1900–1914. Expedition ins Glück» (2014), «Dada Universal» (2016) und «Imagine 68. Das Spektakel der Revolution» (2018) die vierte Ausstellung von Juri Steiner und Stefan Zweifel im Landesmuseum Zürich. Auf ihrem Streifzug durch die europäische Kulturgeschichte des Mannes nehmen die beiden Gastkuratoren den weissen Mann als Probanden. Herausgekommen ist eine vielfältige, kunstvolle, aber auch widersprüchliche Suche nach dem Kern des männlichen Wesens. (Landesmuseum Zürich/mc/ps)