Legende des Prinzen Vessantara auf 50 Metern Tuch erzählt
Zürich – Seit über 2000 Jahren ist sie Erzählstoff asiatischer Literatur und Kunst: Die Geschichte des Prinzen Vessantara, der sich von allem trennt, um Buddha zu werden. Sie ist nun auf bis zu 50 Meter langen, baumwollenen Rollbildern im Völkerkundemuseum der Universität Zürich zu sehen. Wie die Rollbilder in Dorffesten Nordost-Thailands eingesetzt werden, zeigt eine neue Ausstellung ab dem 20. Juni 2017.
Epischer Stoff: Auf rund hundert Metern erstrecken sich die längsten Rollbilder aus Baumwolle, auf denen die Geschichte des Prinzen Vessantara dargestellt ist. Die früher oft freihändig gezeichneten «Vessantara-Tücher» verleihen einer äusserst populären Legende des Buddhismus ihren visuellen Ausdruck. Vier solcher Bildrollen zeigt das Völkerkundemuseum der Universität Zürich in seiner neuen Ausstellung «HinGabe. Das Vessantara-Epos in Rollbildern und Dorffesten Nordost-Thailands».
Prinz verschenkt seine Familie
Das gröste in der Ausstellung zu sehene Rollbild entfaltet sich Besucherinnen und Besuchern auf 50 Metern entlang dreier Wände. Unterteilt in dreizehn Episoden wird auf dem rund ein Meter breiten Rollbild die Geschichte des Prinzen Vessantara erzählt. Das sogenannte Vessantara Jātaka handelt vom Leben und von den Taten des Prinzen. Es ist die Erzählung vom vorvergangenen Leben des Buddha Siddhārta Gautama. In jener Existenz als Prinz Vessantara hatte er die letzte und bedeutendste Tugend zu beweisen, um Buddha, ein Erleuchteter, zu werden: Er musste sich von allem trennen, was ihm lieb und teuer war. Im dramatischen Wendepunkt des Epos verschenkt der Prinz gar seine zwei Kinder und seine Frau Maddī.
Tragen der Rollbilder bringt Glück
Jahr für Jahr wird der uralte Erzählstoff des Prinzen Vessantara an religiösen Volksfesten interpretiert – etwa anlässlich von «Bun Phra Wet», der in Nordost-Thailand und Laos stattfindenden Feier der «religiösen Verdienste des Prinzen Vessantara». Die Rollbilder werden dann durch die Dörfer getragen und am Ende der Prozession an den Innenwänden des Tempels aufgehängt. «Das Tragen des Rollbildes bringt Glück», erklärt Kurator Thomas Kaiser. Er hat die Feierlichkeiten in Thailand begleitet und die Klänge von Mönchen aufgenommen, die während den Prozessionen das Vessantara-Epos rezitierten. Besucherinnen und Besucher können die kollektiven Rezitationen in der Ausstellung hören und anhand eines Videos das Geschehen mitverfolgen.
Vessantara-Epos mit allen Sinnen erfahren
Gestützt auf eine Legende sollen die Menschen zum Fest «Bun Phra Wet» eine vollständige Rezitation des Vessantara Jātaka hören und den Anlass mit tausend Lichtern, tausend Lotosblüten, tausend blauen Seerosen und tausend Schirmen und Wimpeln und Bannern feiern. In Nordost-Thailand werden diese Dinge als «hundert Dinge, tausend Dinge» bezeichnet, die für die Feier gesammelt, hergestellt und hergerichtet werden. «Der Dorftempel in Nordost-Thailand verwandelt sich für das Fest in einen farbenfrohen und klingenden Raum», erzählt Thomas Kaiser. Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich schafft mit seiner neuer Ausstellung genau einen solchen Raum: «Mit den in der Ausstellung zusammengeführten Objekten, Bildern, Texten und Tönen laden wir die Besuchenden ein, die Geschichte des Prinzen Vessantara mit all ihren Sinnen zu erfahren», schliesst Thomas Kaiser. (UZH/mc/ps)
Ausstellung «HinGabe. Das Vessantara-Epos in Rollbildern und Dorffesten Nordost-Thailands»
20.06.2017–15.04.2018
Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich stellt in Zusammenarbeit mit dem Moesgaard Museum in Aarhus (Dänemark) und mit drei Dorftempeln in Nordost-Thailand mehrere Vessantara-Rollbilder aus. Während ältere Rollbilder oft freihändig gezeichnet wurden, setzte sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts die Anwendung von Schablonen durch. Diese verkürzten die Herstellungszeit und ermöglichten niedrigere Verkaufspreise.