Zürich – Am 23.8. eröffnet das Museum Rietberg die Ausstellung «Im Dialog mit Benin – Kunst, Kolonialismus und Restitution», die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Kulturerbes aus dem Königtum Benin im heutigen Nigeria zeigt. Sie wurde in enger Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern aus Nigeria und der Diaspora erarbeitet.
Die Ausstellung «Im Dialog mit Benin» zeigt Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Kulturerbes aus dem Königtum Benin im heutigen Nigeria. Sie wurde in enger Zusammenarbeit mit Vertreter*innen aus Nigeria und der Diaspora erarbeitet. Erstmals wird die Kunstgeschichte Benins historisch und kulturver-gleichend eingeordnet sowie die Bedeutung der Werke für Benin herausgearbeitet. Gleichzeitig thematisiert die Ausstellung die Plünderung der Objekte durch die britische Kolonialmacht, den Verkauf des Raubgutes über den internationalen Kunstmarkt und stellt die Frage nach Restitution.
Der grösste Einschnitt in der Geschichte von Benin markiert das Jahr 1897, als die britische Armee das Königtum eroberte und den Palast in Schutt und Asche legte. Der damalige König Oba Ovonramwen wurde abgesetzt und ins Exil geschickt. Die Briten plünderten Tausende von aufwendig gefertigten Objekten und liessen sie auf dem Kunstmarkt verkaufen. Feine Elfenbeinschnitzereien, Gedenkfiguren und Reliefplatten aus Messing wurden ihres ursprünglichen Kontextes entrissen und von Kriegstrophäen zur Handelsware und schliesslich zu Ausstellungsstücken in europäischen Museen. Auch in der Sammlung des Museum Rietberg befindet sich geraubtes Kulturgut aus dieser Zeit.
In den letzten vier Jahren hat sich das Museum im Rahmen der Benin Initiative Schweiz den dringlichen Fragen gestellt: Wie sieht ein verantwortungsvoller Umgang mit kolonialem Unrecht aus? Was macht ein Museum mit Sammlungen, die in der Kolonialzeit gewaltvoll angeeignet wurden? Welche Fragen nach Verlust, Eigentum und Erinnerung werfen Rückgaben auf? Wie kann die Perspektive der Urhebergesellschaft und der Diaspora integriert werden? Warum ist eine gleichberechtigte Zusammenarbeit so wichtig?
Ein wesentlicher Schritt ist, die Geschichte des Kolonialismus offen zu legen und erlittenes Unrecht anzuerkennen. Hierfür erforschen wir die Provenienzen der Objekte, das heisst die Geschichte ihrer Herkunft und ihres Weges ins Museum. Dabei macht die Ausstellung nicht nur die konfliktreiche Geschichte der Benin-Objekte sichtbar, sondern zeigt auch die gemeinsam mit Nigeria entwickelten Wege der Zusammenarbeit über die Frage der Rückgaben hinaus auf.
Stimmenvielfalt als Prinzip
Erstmals ist das Museum dabei einen Schritt weiter gegangen. Es stellt die Geschichte Afrikas nicht nur aus der westlichen Perspektive dar, sondern hat für die Ausstellung mit Partnerinnen und Partnern aus Nigeria und der panafrikanischen Diaspora in der Schweiz zusammengearbeitet. Die vier Kuratorinnen Josephine Ebiuwa Abbe, Solange Mbanefo, Michaela Oberhofer und Esther Tisa Francini kommen aus Nigeria sowie der Schweiz und sind in den Bereichen Theaterwissenschaften, Architektur, Kunstethnologie und Geschichte tätig. Gemeinsam haben sie die Inhalte, Texte, Gestaltung sowie das Begleitprogramm der Ausstellung entwickelt. Filme und Interviews mit Expertinnen aus Museen, Universität, Palast und Kunst verdeutlichen die nigerianische Perspektive auf das eigene Kulturerbe. Im Auftrag des Museums entstanden neue Werke in Werkstätten der Bronzegilden in Benin City. Zudem haben sich zeitgenössische Künstlerinnen wie Cherry-Ann Morgan oder Kwaku Opoku mit Themen wie Sklaverei und Kulturerbe, Erinnerung und Heilung beschäftigt.
Szenografie
Eine Premiere ist die Zusammenarbeit mit der Schweiz-nigerianischen Architektin Solange Mbanefo, die sich für die Gestaltung der Ausstellung von der Weltsicht in Benin inspirieren liess. Der Innenbereich ist den lichtdurchfluteten Innenhöfen des Palastes von Benin nachempfunden. Die Farbe Korallenrot ist ein Symbol für königliche Auftritte und Zeremonien. Die Präsentation spiegelt die Art und Weise wider, wie die Gegenstände ursprünglich auf den Säulen des Palastes oder auf den heiligen Ahnenschreinen angeordnet waren. Die Aussenbereiche zu den Objektbiografien sowie zur Zeitgeschichte sind hingegen in der Farbe Blaugrün gehalten. Es ist die Farbe des Wassers und damit auch des Meeresgottes Olokun. Der Bezug zum Wasser verweist auf den Handel des Königtums Benins mit den Portugiesen ab dem 15. Jahrhundert und stellt die Aussenbeziehungen Benins über seine Flusshäfen dar.
Das wichtigste Gestaltungsprinzip ist die gefaltete, lentikulare Architektur von Mbanefo, die auf geometrischen Formen und Zahlen aus der Welt von Benin aufbaut. Die eindrücklichen Stimmungsbilder von Strassenszenen aus Benin City oder einem Ausstellungsraum in Zürich sind fragmentiert. Erst wenn die Besuchenden den richtigen Blickwinkel einnehmen, setzten sie sich zu einem Gesamtbild zusammen. Dies macht die komplexe Geschichte Benins und die Stimmenvielfalt im Raum erfahrbar. (Museum Rietberg/mc/ps)