Rebreather-Tauchen: Geeignet für Anfänger?
Die Geschlossenen Systeme (Closed Circuit Rebreather, CCR) sind bei den Tauchern immer noch von einem Hauch Geheimnis umgeben. Die Gemütslage reicht von völliger Ablehnung bis zur mystischen Verklärung. Zeit, sich der Sache selbst anzunähern.
Von Helmuth Fuchs
Gelerntes kann auch Ballast sein, wenn es unerwünschte Mechanismen etabliert, Scheinsicherheit vermittelt, oder die Sicht auf Neues blockiert. In diesem Sinne bin ich als völliger Anfänger im Tauchen unbelastet. Gleich nach der Erlangung des obligaten „PADI Open Water Diver“-Zertifikates im 2010 hat Ulrike Herold vom Orca Dive Club an der Soma Bay mein Interesse am technischen Tauchen mit dem Rebreather geweckt. Im Oktober 2011 kam ich dann für meinen ersten CCR-Kurs zurück an die Soma Bay. Mit Birga Weisert bekam ich eine der erfahrensten und versiertesten Rebreather-Lehrerinnen (IANTD Instruktorin für Evolution/Inspiration, rEvo und Poseidon Mk6, Normomix Trimix CCR). Wer noch die Vorstellung pflegt, dass High-Tech nicht so für Frauen sei, bekommt gleich ein „Reset“ verpasst. Hier kommen gestandene Ingenieure ins Staunen, wie souverän Birga Theorie und Praxis der unterschiedlichen Rebreather-Systeme beherrscht.
Nichts Können kann helfen
In Gesprächen mit erfahrenen Tauchern fiel mir auf, dass für einige das Rebreather-Tauchen schlicht unverantwortlich (zu viele Todesfälle mit ungeklärten Ursachen), für andere das Thema fast mystisch verklärt ist. Für einmal sind auch etliche hundert Tauchgänge nicht nur nicht hilfreich, sondern teilweise sogar hinderlich. Das erlernte Wissen, das gewohnte und perfektionierte Tarieren im Wasser mithilfe der Atmung, eingeübte Notfallszenarien, fast alles was Sicherheit und Entspanntheit vermittelt im offenen System, muss beim Rebreather-Tauchen neu erlernt werden. Für mich als absoluten Anfänger also kein Problem, da praktisch alles für mich sowieso neu ist. Zu Beginn gibt es viel Theorie zu lesen und verstehen, danach wiederholtes Auseinandernehmen und Zusammenbauen des Rebreathers. Die ersten Tauchgänge sind geprägt vom Wissen um die Abhängigkeit vom komplexen System, der fehlenden Erfahrung um das Tarieren, der dauernden Überwachung der Systemfunktionen und der Einübung wichtigster Notfallszenarien. Dabei bleibt der Genussanteil durch die Fehler, die man zwangsläufig begeht und durch die fehlende Sicherheit und Routine im überschaubaren Bereich. Dank Birgas Wissens-Vermittlung und Unterstützung ändert sich das aber schnell mit jedem Tauchgang.
Der Preis des Grenzen-Verschiebens
CCR-Systeme erweitern das Tauchvergnügen durch konstanten Gasverbrauch und automatische optimale Mischung des Atemgases. Es resultieren massiv längere Tauchzeiten und kürzere Dekompensations-Zeiten im Vergleich zum offenen System, geringere Dehydrierung und reduzierter Wärmeverlust des Köpers. Der Preis dafür ist eine gesteigerte Aufmerksamkeit für die Systemkomponenten, eine erhöhte Anzahl Fehlerquellen und eine höhere Anzahl von Notfallszenarien, die man einüben und beherrschen sollte. Während es im offenen System vor allem wichtig ist zu wissen, wie viel man noch zu atmen hat (Kontrolle des Finimeters), ist im geschlossenen System die fast im Minutentakt zu beantwortende Frage „was atme ich?“ überlebenswichtig. Hat das Gemisch einen zu tiefen Sauerstoff-Partialdruck (ppO2) droht eine Sauerstoff-Unterversorgung (Hypoxie), bei zu hohem Sauerstoff-Partialdruck eine Überversorgung (Hyperoxie) und bei einem gesättigten oder lecken Kalkfilter eine Hyperkapnie (zu hoher Kohlenstoffdioxid-Gehalt). Bei unterschiedlichen Symptomen ist allen drei Szenarien der potentiell tödliche Ausgang gemeinsam. Den für mich prägenden Satz las ich gleich zu Beginn im Handbuch des Rebreathers: „Wenn Sie den ppO2 nicht beobachten und die Zusammenhänge nicht verstehen, werden Sie sterben. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Was schockierend tönen mag hilft einfach, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein so zu schärfen, dass die Risiken sich auch beim Tauchen mit CCR-Geräten in einem minimalen Bereich bewegen.
Der Autor mit dem AP Evolution im Roten Meer an der Soma Bay (Bild: Angi Neuhofer)
Für viele ebenfalls abschreckend können die hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten eines Rebreathers sein. Hier gibt es seit Kurzem Abhilfe mit dem Rebreather-Pool der Orca-Tauchschulen: www.rebreatherpool.de. Gegen eine Mitgliedschafts-Gebühr von aktuell 180 EUR können an zahlreichen Destinationen von Orca die geprüften und stets gewarteten Geräte inklusive gefüllten Flaschen für sechs Tage benützt werden. Somit entfallen sämtliche Anschaffungs-, Wartungs- und Transportkosten und man kann jederzeit ein Gerät auf dem neusten Stand benutzen.
Fehler zu Beginn machen und daraus Lernen
Mit der bestens vermittelten Ausbildung und der bestandenen Prüfung werde ich ins warme Meer geschmissen (zuhause wäre es das kalte Wasser). Und klar, mache ich gleich ein paar Anfänger-Fehler. Die Schiebekappe des Flow-Stopp Isolators sollte im Tauchzustand nach oben geschoben sein. Wenn man es vergisst, wie ich beim ersten Tauchgang, setzt sich das automatische Einlassventil für das Verdünnungsgas zur Ruhe und man merkt nach ein paar Atemzügen, dass in der Einatem-Gegenlunge nichts mehr zum Atmen da ist. Man könnte jetzt kühl überlegen, manuell über den Inflator das Verdünnungsgas zuschiessen, oder kurz auf das offene Atemsystem wechseln und die Kappe am Flow-Stopp nach oben schieben. Oder, wenn man nicht schon zu Beginn des Tauchgangs sein Verdünnungsgas verschwenden möchte, sich beim Tauch-Buddy mit Atemluft bedienen und das Problem lösen. Für mich war das Gefühl, nichts mehr zum Atmen zu haben, einprägsam genug, dass ich die Kontrolle der Schiebekappe nie mehr vergessen werde. Zudem nehme ich seither bei jedem Tauchgang, unabhängig von Tiefe und Zeit, eine Reserveflasche mit Atemluft (Nitrox 32) mit.
Schematische Darstellung der wichtigsten Rebreather-Komponenten ( Bild: AP Evolution Manual)
Bei einer späteren Tagestour auf dem Boot habe ich mich bei der Crew nach Atemluft mit 21% Sauerstoff erkundigt, da ich meine Verdünnungsgas-Flasche mit normaler Atemluft nachfüllen wollte. Das Crewmitglied hat mich auf eine grosse Sauerstoff-Flasche auf dem Boot verwiesen. Erst nachdem ich schon einige Sekunden und Bars abgefüllt hatte, fiel mir auf der Rückseite der Flasche die Aufschrift mit „100% Sauerstoff“ auf. Ich hatte also mein Verdünnungsgas, normalen Sauerstoff, mit reinem Sauerstoff angereichert. Da das Verdünnungsgas bei einem Notfallszenario mit einem Wechsel in das offene System in jeder Tiefe als Atemluft-Reserve dienen muss, keine gute Idee. Seither messe ich jede Mischung selbst, unabhängig von Aussagen erfahrener Taucher oder Aufschriften auf Flaschen, bevor ich sie in meine Flaschen abfülle. Ja ich weiss, eigentlich sollte man das eh machen, aber oft blieb es zuvor beim Sollen.
Rebreather als Lebensschule
Rebreather-Tauchen hat sich für mich zu einer eigentlichen Lebensschule entwickelt. Der lässige Umgang mit Abläufen in der Vorbereitung, der Materialbehandlung oder während der Tauchgänge, wie er oft bei sehr erfahrenen Freizeittauchern zu beobachten ist, führt beim Tauchen mit Rebreathern zu unnötigen Stresssituationen. Die Einhaltung von Prozeduren, der sorgfältige Umgang mit dem Material, dauernde Checks und Überwachung des Systems während des Tauchens fordern und fördern eine erhöhte Aufmerksamkeit. Das geht jedoch auch bei Anfängern wie mir sehr schnell und die Belohnung lässt nicht auf sich warten. Die Ruhe während des Tauchens, Schweben in Fischschwärmen, die nicht wegen Blubber-Geräuschen und Blasen auseinanderstieben, kein Abbrechen des Tauchgangs wegen leerer Flasche (ausser der Buddy taucht ein offenes System und hat seine Flasche im Schwimmen gegen die Strömung in Rekordzeit leergepustet). Zudem ist man einfach frischer und weniger erschöpft, auch nach einem langen Tauchgang, und schnell wieder bereit für den nächsten Abstieg.
Ist Rebreather-Tauchen geeignet für Anfänger?
Aus meiner Sicht ist diese Frage mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Wer mit dem Rebreather-Tauchen beginnt ist in jedem Falle, auch mit mehreren hundert Tauchgängen im offenen System, ein Anfänger. Jeder muss umdenken, neu lernen. Entscheiden für den Erfolg und Spass beim Tauchen mit dem Rebreather wird sein, wie gut jemand das System versteht, Notfallsituationen beherrscht und wie aufmerksam er das System in jeder Situation überwacht. Hat schon das Tauchen an sich ein riesiges Suchtpotential, wird dieses durch das Rebreather-Tauchen nochmals massiv verstärkt. Für mich genügend Gründe, mich der Faszination hinzugeben.
Der Autor:
Helmuth Fuchs ist ein begeisterter Anfänger, der erst 2010 das Tauchen für sich entdeckte. 30 Tauchgänge, PADI AOWD, Advanced Freediver, IANTD Recreational Rebreather.
- Informationen zu Tauchkursen mit Rebreathern
- Rebreather-Pool für günstige Benutzung verschiedener Geräte
- Rebreather Forum auf Taucher.net
Rebreather Tauchen als purer Genuss: Birga Weisert, Tauchlehrerin an der Soma Bay