In Italien wird das Maskentragen nicht hinterfragt, sondern konsequent praktiziert (zumindest im Norden und in Mittelitalien, wo wir gerade unterwegs sind). Jedoch finden die ItalienerInnen auch hier stilistisch versiert verschiedene Formen des Tragens. Vom locker am Arm, unter dem Kinn, an einem Ohr hängend knapp unter der Nase oder über der Stirn. Gelebte Individualität in der Italianità.
Von Helmuth Fuchs
Während im Rest der Welt (wie auch in der Schweiz) über den Sinn oder Unsinn, den Nutzen oder Schaden des Maskentragens löblich gestritten wird und die Positionen munter gewechselt werden (nützt nur den Kranken und den Profis, später werden sie empfohlen in den ÖV (BAG, Daniel Koch); empfehlen wir nicht, empfehlen wir nun doch (WHO); empfehlen wir nur einigen, empfehlen wir nun allen (Robert Koch Institut), ist die Diskussion zumindest im nördlichen Teil Italiens entschieden: Hier tragen fast alle in der Öffentlichkeit eine Maske. In geschlossenen Räumen wie Restaurants, Läden, Autobahnraststätten, Post- und anderen Ämtern ist sie oft Pflicht. Aber auch wenn kein Hinweisschild dies fordert, trägt man die Maske aus Solidarität mit dem Personal, welches die Maske ausnahmslos auf hat.
Die Männer mal wieder
Das erstaunt, wenn man den sonst eher lockeren Umgang der ItalienerInnen mit Vorschriften kennt, die oft eher als gut gemeinte und leicht zu ignorierende Hinweise interpretiert werden. Bei den Masken hört der Spass jedoch auf: Ohne die Gesichtsbedeckung sind scharfe und vorwurfsvolle Blicke sowie unmissverständliche Hinweise sicher.
Im Folgenden zum Schutz der italienischen Gastgeber (Persönlichkeitsrechte) habe ich die verschiedenen Tragarten nachgestellt. Nur eine ist halbwegs korrekt und alle bis auf eine sind uns in Italien bis anhin begegnet.
Unsere repräsentative, wissenschaftlich höchst unfundierte Beobachtung zeitigte folgende Resultate:
- Frauen tragen die Maske konsequenter als Männer.
- Am nachlässigsten beim Thema Masken sind die Gruppen mit dem höchsten Risiko: Übergewichtige, rauchende, ältere Männer.
- Kinder und Jugendliche tragen fast alle Masken, auch beim Sport, Spazieren gehen, draussen im Café.
- Werden Männer von Frauen begleitet, tragen sie die Maske häufiger, als wenn sie alleine unterwegs sind.
Vom Gebrauchsgegenstand zum Modeartikel
Zwar ist der billige und schnell fusselige Mund-Nasen-Schutz (meist grün-bläuliches Teil mit Falten) auch hier das gängigste Modell, jedoch haben innovative Näherinnen schnell die Marktlücke entdeckt und bieten Stoffmasken in allen Variationen an, bis hin zum schicken Accessoire mit Pailletten, passend zum kleinen Schwarzen. Absehbar, dass bald auch die Accessoires zum Accessoire kommen (Kettchen zum Befestigen der Maske, ein schickes Etui zur Aufbewahrung, ein Schnellreinigungsbehälter mit USB-Anschluss…).
Erstaunlicher als die Vielfalt an neuen Varianten und Produkten ist die Auswirkung der Maske auf die Gesellschaft, ihr Verhalten und die Kommunikation. Schaut man in der Schweiz eher milde spöttisch und mit einer Spur Überlegenheit oder Verständnislosigkeit auf Maskenträger, ist dies in Italien genau anders herum. Der Druck der Gruppe ist unwiderstehlich hin zum Maskentragen. Die Verständlichkeit im Gespräch leidet zwar oft erheblich, die Mimik geht zum grossen Teil flöten, aber man arrangiert sich. Wenn es gar nicht mehr anders geht, erhöht man den Abstand zum Gesprächspartner und schiebt die Maske auf oder unter das Kinn und führt die Konversation weiter.
Routine bis zur Sinnlosigkeit
Das Maskentragen ist teilweise schon so nahtlos in den Alltag integriert, dass auch an sich sinnloses Verhalten, wie das Aufsetzen der Maske während des Autofahrens (alleine im Auto) immer öfters zu beobachten ist. Man darf gespannt sein, welche Auswirkungen langes Tragen von Masken, vor allem von durchsifften, überlang getragenen selbst genähten Stoffteilen auf die Atemwege haben werden.
So wenig wir uns mit den Masken und deren Tragen anfreunden können, hier in Italien machen wir das diskussionslos, zum Schutz der lokalen Gepflogenheiten und aus Ehrerbietung gegenüber unseren Gastgebern.