Bern – Anlässlich des Erscheinens der Robert Walser-Briefausgabe im Suhrkamp Verlag zeigt das Robert Walser-Zentrum in Bern die Ausstellung Walsers Briefe. Die Briefausgabe selber wird mit Vorträgen und Lesungen im Schweizerischen Literaturarchiv und im Zentrum Paul Klee vorgestellt. Die drei Bände enthalten sämtliche überlieferten Briefe von und an Robert Walser. Sie eröffnen die neue Berner Ausgabe der Werke Robert Walsers, die als Lese-und Studienausgabe angelegt ist und die alte Taschenbuch-Ausgabe ablösen wird.
Die 951 Dokumente, von denen mehr als die Hälfte erstmals in Buchform veröffentlicht wird, bieten Einblick in Robert Walsers Lebensweise und die Bedingungen seiner Schriftstellerlaufbahn. Man erfährt von den Schwierigkeiten mit dem Insel Verlag, der 1904 seinen Erstling Fritz Kochers Aufsätze verlegt. Man kann nachlesen, wie Christian Morgenstern seine Romane lektoriert und kommentiert. Oder man kann mitverfolgen, wie es ihm während der schwierigen Kriegsjahre gelingt, gleichzeitig mit mehreren Schweizer Verlagen – Rascher, Huber und Francke – Geschäftsbeziehungen aufzubauen.
Besonders aufschlussreich sind die Briefwechsel von Robert Walser mit Frauen. Die grösste Gruppe bilden die Briefe an Frieda Mermet, mit der er eine Art »Brief-und Spazierehe« unterhält (Peter von Matt). Ein zweites, bedeutsames Konvolut stellen die bald feinsinnigen, bald frivolen Schreiben dar, die Walser an Therese Breitbach, eine junge Verehrerin seiner Werke, richtet. Diese 20 Briefe hat das Robert Walser-Zentrum dank der Ursula Wirz-Stiftung neulich erwerben können. In der Ausstellung Walsers Briefe, für deren Gestaltung der Künstler Yves Netzhammer mitverantwortlich zeichnet, werden sie erstmals öffentlich gezeigt.
Robert Walser ist einer der bekanntesten Schweizer Autoren. 1878 geboren, publizierte er früh erste Texte in Tageszeitungen wie Der Bund. Zwischen 1905 und 1913 lebte er in Berlin und veröffentlichte in rascher Folge die Romane Geschwister Tanner, Der Gehülfe und Jakob von Gunten, die ihn bei der Kritik und unter Schriftstellerkollegen wie Franz Kafka, Robert Musil oder Hermann Hesse bekannt machten. Danach publizierte er in Literaturzeitschriften und Zeitungen von Zürich bis Prag Kurzprosa, in denen er seinen unverwechselbaren Stil weiterentwickelt. Bevor er 1929 in eine psychiatrische Klinik eintritt und 1933 mit dem Schreiben aufhört, verfasst er in mikrografisch winziger Schrift sein umfangreiches Spätwerk. Walsers Œuvre umfasst über 6000 Buchseiten und wurde dank dem Suhrkamp Verlag weltweit bekannt. Heute wird Walser nicht nur vom Lesepublikum in über 30 Sprachen gelesen, sondern auch in der bildenden Kunst und auf der Bühne international breit rezipiert.
Die Berner Ausgabe
Die Berner Ausgabe ist als Lese-und Studienausgabe konzipiert. Sie macht Walsers Werk in kostengünstiger und textphilologisch einwandfreier Form zugänglich und verfügt über Nachworte und Kommentare auf dem neusten Forschungsstand. Sie löst schrittweise die von Jochen Greven 1985/1986 herausgegebenen Sämtlichen Werke in Einzelausgaben ab. Wie ihre Vorgängerausgabe richtet auch sie sich an ein breites Lesepublikum. Sie erscheint komplementär zur Kritischen Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte (Verlage Stroemfeld/Schwabe).
Ausblick
2019 erscheinen im Rahmen der Berner Ausgabe Walsers Roman Der Gehülfe sowie die beiden Sammlungen Prosastücke und Kleine Prosa, ab 2020 zwölf weitere Bände mit zu Lebzeiten publizierten Romanen und Sammlungen. Dann folgen sechs Bände mit im Feuilleton publizierten Texten. Zuletzt geplant sind die Bände zu Walsers umfangreichem Nachlass, zu dem u. a. der ›Räuber-Roman‹ und weitere Mikrogramme gehören.
Organisation und Finanzierung
Die Berner Ausgabe wird im Robert Walser-Zentrum in Bern erarbeitet und erscheint im Auftrag der Robert Walser-Stiftung Bern. Herausgegeben wird sie von Lucas Marco Gisi, Reto Sorg, Peter Stocker und Peter Utz. Gefördert werden die Arbeiten im Rahmen des ›Berner Modells‹ durch die Berner Kantonalbank, die Burgergemeinde Bern, die Stadt Bern und den Lotteriefonds des Kantons Bern.
Briefausgabe
Robert Walser: Briefe. Hg. v. Peter Stocker u. Bernhard Echte, unter Mitarb. v. Thomas Binder u. Peter Utz. 3 Bde., 1523 S., mit Nachwort, Abb. u. Anhang (Berner Ausgabe; 1–3), ISBN: 978-3-518-42845-0. – Empfohlener Verkaufspreis: EUR 68.–/CH 89.–.
Buch-Vernissage
Samstag, 20. Oktober 2018, 18.00 Uhr Zentrum Paul Klee, Monument im Fruchtland 3, Bern, Auditorium Es lesen Heidi Maria Glössner und Uwe Schönbeck, Moderation: Reto Sorg Eintritt: CHF 15.–
Ausstellung Walsers Briefe
Vernissage
21. Oktober 2018, 12.30 Uhr
Es spricht Lukas Bärfuss