Sinneswandel auf Sylt

Sinneswandel auf Sylt
Winterspaziergang auf Sylt. (Foto: Holger Widera / Sylt Marketing)

Westerland – Die Winternacht hat die Feuchtigkeit aus der Luft ausgefroren, glitzernder Reif liegt über der Insel Sylt, in der frühen Morgensonne glitzert es wie Milliarden Sterne. Über den höchsten Erhebungen der Insel scheint bereits die Sonne, die tiefen Lagen liegen noch im eiskalten Nebel. Wer früh aufgestanden ist, hat diese stille Pracht für sich allein.

Der Spazierweg am Morsum Kliff führt hinunter in die Einsamkeit, die Heide ist von feinem Frost gezuckert. Dort, wo die ersten Sonnenstrahlen durchbrechen, erstrahlt die Landschaft in Herrlichkeit. Der Weg hinunter zum Wattufer führt durch einen Gürtel aus Reet. Auch hier unten herrscht eine seltene, sonderbare Stille. Der sonst ständige Wind ist an diesem Wintermorgen still. Einzig ein melodischer Vogelruf ist zu hören. Eine schöne Einsamkeit. Die Schritte knirschen über den Reif und klirren dort, wo Pfützen gefroren sind. Riechen die Ufer des Wattenmeeres im Sommer manchmal dumpf, so duftet es hier und heute ganz klar und frisch nach Meer.

Das Kliff liegt im Schatten und scheint doch an manchen Stellen in erdigen Farben zu leuchten. Dieses einzigartige Stück geologischer Geschichte Sylts schimmert von Karamell-Farben über rötliche Töne bis hin zu tiefem Schwarz. Farbspiele, wie sie Maler kaum besser erfinden können. Bald flutet Licht in dieses Schattenkabinett, dort wo das Kliff eine Einsenkung hat und der Wanderweg wieder hinausführt, strömt das Licht bis hinunter ans Ufer und hinaus auf das Wattenmeer. Das Reet erstrahlt mit seinen Hauben aus Reif und die Parade Brandgänse dahinter scheint zu leuchten. Auch der Aufstieg bietet zauberhafte Farbspiele; gelb der Ginster und golden die kleinen Dünen, dahinter strahlt das Watt in allen Tönen Blau.

Die Winterwanderung findet ihre Fortsetzung in der Braderuper Heide. Die Pfade durch den Sand scheinen ins Nichts zu führen. Der Blick reicht über das Watt, das in eisigen, blauen Tönen dort liegt. Der Leuchtturm und von Wind verbogene Bäume als einzige Landmarken in diesem seltsam leeren Raum. Über Kampen führt der Weg hinunter an die Nordsee. Es ist erst früher Nachmittag und doch steht die Sonne bereits so tief, dass sie das berühmte Rote Kliff golden aufleuchten lässt. Es sind faszinierende Farbspiele, die eine Winterwanderung auf Sylt so beeindruckend machen. Je tiefer die Sonne sinkt, desto kräftiger und intensiver die Farben, desto deutlicher und modellierter erscheinen die Konturen. Es ist erst kurz nach drei Uhr nachmittags und die Sonne steht schon tief, wirft scheinbar unendlich lange Schatten hinter die wenigen Wanderer am Strand.

Nach Westerland dürfte es bis zum Ende dieses Tages zeitlich und mit letztem Licht noch reichen. In mehreren Staffeln wirft sich die Nordsee an den Strand, der kalte Ostwind hat gedreht. Weiss schäumend und zischend auf dem Sand laufen sie zurück ins Meer. Das Kliff und das Gras obendrauf scheinen fast zu brennen, so intensiv und kräftig sind ihre Farben. Auch dies ist ein seltsamer Kontrast zum winterlich-eisigen Wind, der im Gesicht so schön prickelt. Von Osten kriecht langsam die Nacht heran – und auf der prächtigen Freitreppe in Wenningstedt stehen die Leute und blicken der Sonne hinterher, wie sie in der Nordsee versinkt. Einige mit einem Glühwein in der Hand. Ein schöner Abschluss für diesen Wintertag auf Sylt. (mc/pg)

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