«Sollte alles denn gewusst sein? Paul Klee. Dichter und Denker.»
«Sollte alles denn gewusst sein? ach, ich glaube nein!» notierte Paul Klee auf einem seiner Werke. Die Ausstellung «Paul Klee. Dichter und Denker» eröffnet neue Perspektiven auf den Maler Klee, der neben vielem anderen auch Philosoph, Wortakrobat und Poet war. Im Zentrum der Ausstellung steht Klees Originalbibliothek, die für die Besucherinnen und Besucher sichtbar, lesbar und greifbar wird —und damit Klees vitales Interesse für Literatur und Philosophie. Zugleich zeigt die Ausstellung auf, wie sich Denker wie Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Michel Foucault auf Klees Werk bezogen haben. Ein umfangreiches Vermittlungs-und Begleitprogramm ergänzt die Ausstellung.
In wechselnden Ausstellungen folgen Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee Klee in sein geistiges Universum und erproben neue wissenschaftliche und vermittelnde Zugänge zu seinem Werk. Klees Œuvre ist Ausdruck eines «künstlerischen Denkens», das in seinen Bildern in unglaublicher Vielschichtigkeit und Fülle Gestalt annimmt. Aus dem Wechselspiel von Bild und Sprache entstehen neue Zeichen, die Klee mit seinen bildnerischen Mitteln erfindet und die die Dimensionen der Schrift bei weitem sprengen. So ist es auch nicht erstaunlich, dass bedeutende Philosophen des 20. Jahrhunderts sich mit Klees Schaffen auseinandersetzten, darunter Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Michel Foucault . Kein Werk eines anderen Künstlers gab ihnen mehr Denkanstösse als dasjenige Paul Klees.
Klee war ein begeisterter Leser, den Grundstock seiner Bibliothek lieferte der bildungsbürgerliche Kanon seiner Zeit, also die Autoren der Antike bis zu den Klassikern Goethe und Schiller und die Schriftsteller der Romantik. Für satirische Texte von Voltaire, Laurence Sterne, E.T.A Hoffmann oder Edgar Allan Poe interessierte er sich besonders. Er verweist in seinen bildnerischen Werken auf literarische Gattungen und inszeniert in seinen Bildern Dramen, Tragödien, aber auch Märchen und Komödien. In Klees Hausbibliothek befanden sich natürlich Goethes «Sämtliche Werke». In einigen Werken bezieht sich Klee auf Goethes erzählerisches Werk. So nennt er eine Lithografie von 1912 «Vignette zu Göthe: Das ewig Weiblich» und verweist explizit auf die letzte Zeile von Goethes zweitem Teil der Faust-Tragödie.
Originale Bibliothek erstmals in Ausstellung zu sehen
Die originalen Bücher aus Klees privater Bibliothek laden zur Lektüre und auf eine «kleine Reise ins Land der besseren Erkenntnis» ein. In einem vom Berner Designer Beat Frank als Leselounge konzipierten und gestalteten Raum wird Klees originale Bibliothek zum ersten Mal überhaupt in einer Ausstellung integral zu sehen sein. Ausgabegleiche Bücher laden die Besucherinnen und Besucher zur Lektüre ein.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung wird Klees Auseinandersetzung mit Dichtern und Denkern und den literarischen Gattungen, vom Märchen bis zur Tragödie, sein, aus denen Klee den Stoff für seine Werke bezog. Zudem gibt die Verbindung von Bild und Bildtitel Aufschluss über Klees dichterische Qualitäten. Seine sprachkünstlerischen Schöpfungen, oft mit feinem Sinn für Ironie und Witz, eröffnen überraschende und assoziative Zugänge zu seinen Bildern und öffnen neue Ebenen, die vielleicht so auf den ersten Blick nicht sichtbar sind.
Neben Klees Gedichten offenbart sich vor allem in seinen Bildtiteln seine poetische Ader. Die Titel entstehen meist nach der Vollendung des Werkes, teils im Gespräch mit Freunden, Bekannten oder Schülerinnen und Schülern. Klee nennt dies die «Taufe seiner Kinder». Ein Titel entsteht assoziativ, er ist zwar Teil des Bildes und keineswegs beliebig, aber er steht gleichzeitig auch als Ergänzung oder Metapher neben dem Werk. Er gilt für Klee als Richtungsweiser, jedoch ein labiler Richtungsweiser. Neben konventionellen Titeln benutzt Klee satirisch-kritische Titel, fantastische oder der Welt der Fiktion, der Weltliteratur (Bibel, Mythologie, Romantik), entstammende, Verweise auf die Musik oder Wortspiele und Wortschöpfungen. Klee fordert die Betrachterin oder den Betrachter heraus, mithilfe des eigenen Wissens und der eigenen Erfahrung Beziehungen zwischen Titel und Bild zuergründen. (ZPK/mc/pg)