Steyr 10S21 bei minus 14 Grad und 30 Grad Hangneigung mit Wärmung statt Heizung
Irgendwann ist natürlich mal fertig mit warmem und Sonnenkollektoren-schmeichelndem Wetter und der Steyr muss sich in den alpinen Verhältnissen bewähren, für die er ursprünglich gebaut wurde. Ob er das noch kann nach all den Jahren im geheizten Feuerwehrdepot?
Von Helmuth Fuchs
Der Test erfolgte in den letzten Tagen auf dem Julierpass auf 2284 Metern über Meer, mit Temperaturen bis minus 4 Grad und einem eisigen Wind. Die Wahl fiel auf den seit Römerzeiten begangenen Pass wegen der lohnenden Skitouren, die sich von dort unternehmen lassen.
Castel del Monte in der Eis- und Steinwüste
Die Anfahrt erfolgt von Einsiedeln über die Autobahn bis nach Tamins. Von dort nach Thusis und Tiefencastel. Dann entlang des Flusses Julia über Savognin und Marmorera nach Bivio, zuletzt die eigentliche Passstrasse hinauf zum Scheitelpunkt. Auf der Passhöhe verläuft die Europäische Wasserscheide zwischen den Einzugsgebieten von Rhein und Donau.
Und seit 2017 steht dort der monumentale «Origen»-Theaterturm mit 30 Metern Höhe für 220 ZuschauerInnen. «Origen» ist ein rätoromanisches Wort, gleichbedeutend mit «Ursprung». Der Grundriss ist ein zehnzackiger Stern. Die Spitzen dieses Sterns sind zehn fünfeckige Türme, welche das Hauptgerüst bilden. Diese werden verbunden durch Passarellen mit hohen Bogenfenstern, die auf vier Ebenen die Ränge und Logen des Theaters bilden.
Die mystische Stimmung, akzentuiert durch den beleuchteten Turm, erstreckt sich durch die Nacht in den frühen Morgen, bevor die Sonne die Nebelschwaden auflöst und einem makellos blauen Himmel Platz verschafft.
Für die erste Skitour fahre ich einige hundert Meter zurück zum Ospizio La Veduta. Dies ist der perfekte Ausgangspunkt für Skitouren in Richtung Norden und Süden.
Weisse Einsamkeit und ein berührend schönes Panorama
Die erste Tour soll mich zum Piz Surgonda auf 3195 Meter führen. Mit knapp 1’000 Höhenmetern, etwas mehr als drei Stunden Aufstiegszeit und keinen technischen Schwierigkeiten eine ideale Tour, die ich auch problemlos alleine unternehmen kann. Die Schneebedingungen sind ebenfalls hervorragend. Es liegt nicht viel Schnee, er ist gut gesetzt aber nicht zu fest «verdeckelt» (harte, brüchige Oberfläche), so dass auch die Abfahrt einigen Genuss verspricht.
Im eigenen Tempo, in der stillen, weissen Einsamkeit ist der Anstieg ein ungetrübter Genuss. Die Szenerie mit dutzenden von Gipfeln bis zu nur noch geahnten Gebirgsketten am Horizont, entfaltet sich mit zunehmender Höhe. Zum Schluss werden die Skis deponiert und auf einer steinigen, mit Schneeverwehungen durchsetzten Kante geht es zum Gipfel hoch. Von hier aus kann man ein fast endloses Gebirgspanorama geniessen.
Wärmung statt Heizung
In der zweiten Nacht, die nicht weniger kalt ist als die erste, hilft eine zweite Wolldecke die Heizung zu entlasten. Die 9 Kilowatt Dieselheizung von Webasto (Thermo Pro 90 «high Altitude») funktioniert zwar problemlos, wobei es nie wirklich richtig heiss in der Kabine wird. Warm, wenn man noch genügend anzieht, muss für den Moment wohl reichen.
Rauher und kürzer. Die zweite Tour
Ausgeruht und mit Frühstück geht es für die zweite Skitour in Richtung Süden statt Norden. War es am ersten Tag noch windstill, pfeift am zweiten Tag ein giftiger Wind auf den ersten hundert Höhenmetern das Tal hinab. Danach herrscht auch auf dieser Tour wieder Stille. Die Tour auf den Piz da las Coluonnas ist zwar einiges kürzer als die erste Tour und der Gipfel ist ebenfalls weniger hoch (2961 Meter), dafür sind einige Passagen steiler (ca. 30 Grad) und technisch ein wenig anspruchsvoller. Die Gesamtstimmung ist weniger lieblich, dafür alpiner als bei der Tour auf den Piz Surgonda. Die Abfahrt bietet einige lohnende Hänge mit perfekten Schneebedingungen.
Steyr kann Winter
Und wie hat sich der Steyr geschlagen in der Kälte? Kurz zusammengefasst: Bestens. Auch nach kalten zwei Tagen kein Zögern bei Anlassen, die Heizung funktioniert (wenn auch mit einigem Potential bis es zur Sauna reicht). Die Batterien fielen auch mit viel PC-Arbeit, stundenweisem Heizen, wenig günstiger Sonneneinstrahlung, Kochen von Suppen (wir verwenden für alles Strom, kein Gas) nie unter 55%.
Die Frage wird also weniger sein, ob der Steyr Winter kann, sondern wie viel Winter wir uns zumuten wollen. Nach der Erfahrung am Julierpass: Gerne noch etwas mehr.