Der Übergang zum neuen Jahr ist üblicherweise gepflastert mit guten Vorsätzen, ein wenig Reue und der Aussicht auf eine noch bessere Zeit. In diesem Jahr ist er der Schauplatz, magischer Vollmondnächte, grandioser Aussichten und sofort bestraftem fahrlässigen Übermutes des männlichen Teils des Steyr-Fahrerteams.
Von Helmuth Fuchs
Vom letzten Ausflug auf den Julier blieb mir die Schönheit des Tales an der Julia, vor allem der Blick auf die Terrasse mit Salouf und Mon. Also fuhr ich mit der besten aller Ehefrauen zum Jahresabschluss nochmals in diese Gegend, zumal die Schneeverhältnisse auch auf eine Skitour hoffen liessen.
Versenkt im letzten Tageslicht
Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir Salouf. Oberhalb des Dorfes, vor der Abzweigung nach Son Roc entdeckten wir einen winzigen Ausstellplatz, der wie der perfekte Übernachtungsort aussah.
Mit Schmackes reingesetzt und hätte eigentlich gepasst. Zumindest fast, noch ein wenig gedreht, damit die Aussicht noch optimaler hinkommt und dann ist es passiert. Das rechte Hinterrad sank ein, jeder Versuch, den LKW wieder aus der durchgebrochenen Schneedecke raus zu manövrieren endete damit, dass er noch weiter abdriftete und einsank. Der LKW grub sich bis zur Achse in den Schnee und stand in ziemlicher Schieflage in der Landschaft. Es reifte die Erkenntnis, dass wir hier ohne fremde Hilfe bis zur Schneeschmelze nicht mehr rauskommen würden.
Einmal mehr erwies sich die Beifahrerin (die für diesmal sehr erleichtert war, dass sie nicht selbst am Steuer sass) als Retterin, indem sie kurz entschlossen das nächste Fahrzeug anhielt. Ein einheimischer Jäger mit Sohn und Hund, der nach kurzer Begutachtung der Situation sofort den Bauern gleich oberhalb unserer geplanten Übernachtungsstelle samt seinem Pneulader organisierte. Dieser konnte sich zu Recht einen spöttischen Blick auf den Unterländer Fahrer nicht verkneifen, befestigte zwei massive Zuggurten am hinteren linken Schäkel des Steyrs und machte sich daran, den LKW im rechten Winkel aus der Misere zu zerren. Nach drei sorgsamen und bestimmten Anläufen stand der Steyr wieder auf festem Grund.
Wenig Hohn, verdienter Lohn und ein guter Tipp
Die Entlöhnung, die der Bauer zuerst nicht annehmen wollte, entsprach der Grösse der Erleichterung, die wir empfanden, dass der Ausflug nicht in einem Desaster schon hier bei einbrechender Nacht endete. Er gab uns noch einen Tipp für einen Übernachtungsplatz, etwa 200 Meter weiter unten. Der erwies sich als goldrichtig, da wir von dort gleich die Skitour am nächsten Tag beginnen konnten. Statt nur verhärteter Schnee bildete hier Asphalt die Unterlage und der LKW stand erst noch gut nivelliert. Puhh, was für ein Start.
Fotos gibt es leider (oder zum Glück) keine, da wir völlig absorbiert waren damit, den Steyr aus der Bredouille zu retten, in den ich ihn hinein manövriert hatte und es dem eh schon ramponierten Ansehen der Unterländer kaum zuträglich gewesen wäre, hätte ich Aufnahmen gemacht, während der Bündner Lastwagenretter am Arbeiten war. Zudem ist man beim ersten Mal wahrscheinlich noch nicht so abgeklärt, auch hier wird es beim zweiten Mal vielleicht Raum und Zeit für beeindruckende Bilder einer ebenso beeindruckenden Dummheit geben.
Die Nacht zum Tag gemacht
Bis dahin gibt es wenigsten Bilder einer ruhigen und magischen Vollmondnacht. Wie der Tag hat auch die Nacht wechselnde Licht- und Wetterbedingungen, die uns meistens aber entgehen. Diesmal enthüllt der Vollmond den speziellen Zauber, der auch der Nacht innewohnt.
Der nächste Tag brachte dann die erhofft akzeptablen Bedingungen für die Skitour. War in der unteren Hälfte der Schnee noch weich und reichlich vorhanden, wurde er gegen oben hin jedoch zunehmend härter und durch heftige Winde an exponierten Stellen weggeblasen. Unser ursprüngliches Ziel, den Piz Toissa gaben wir auf, da seine Flanken über weite Teile vereist oder nur sehr spärlich mit Schnee bedeckt waren. Fels und schneefrei Flächen versprachen nur wenig Skigenuss. Statt dessen beendeten wir die Tour auf dem höchstgelegenen Wallfahrtsort, bei der Kirche von Zitail, auf 2343 Metern.
Auch hier blies, wie schon die letzte halbe Stunde ein eisiger, heftiger Wind, während die Sonne nur schwach und milchig schien. Im Schutz der Kirche verpflegten wir uns und rüsteten uns zur Abfahrt hinunter zum Maiensäss Som igls Mellens, dann Cre digl Lai und von dort der Aufstiegsspur entlang zurück zum Steyr. 1’100 Höhenmeter mit fantastischen Aussichten.
Sehnsucht stillende Maiensässe
Den Jahresbeginn feierten wir still in Alvaneu Dorf (für einmal gab es auch in der Umgebung kein Feuerwerk, also ein Fest für sämtliche Haustiere) . Auf einem Plateau hoch über dem Eingang zum Albulatal fanden wir einen idealen Platz für die Nacht.
Den ersten Tag des neuen Jahres gingen wir genüsslich mit einer Wanderung zu den Maiensässen Aclas Davora und Aclas Davains an. Die für uns unbekannte Ecke des Bündnerlandes bietet Ruhe, Idylle, Berge und Winterlandschaften im Überfluss. Schmucke Maiensässe, heute meistens Feriensitze von Einheimischen und Unterländern, sind lose auf weiten Terrassen verstreut. Es ist eine Landschaft, abseits der grossen Touristenströme, die uns sofort in ihren Bann zieht.
Auf dem Heimweg machen wir kurz vor Lenzerheide noch einen Abstecher nach Lain, um nochmals einen letzten Blick in die Weite der Bündner Berge zu werfen und ahnen, dass wir kaum das letzte Mal hier gewesen sind.