«V2X Suisse»: 50 Mobility-Elektroautos werden zu Powerbanks
Rotkreuz – Elektrofahrzeuge haben das Potenzial, Lücken in der Stromversorgung zu schliessen, indem sie Strom zurück ins Netz speisen. Erstmals wird die bidirektionale Technologie dahinter unter realen Bedingungen getestet. Im Bahnhof Parking in Bern – am grössten Mobility-Standort der Stadt – ist das Schweizer Pilotprojekt «V2X Suisse» offiziell lanciert worden. Während eines Jahres wird nun untersucht, wie Elektroautos künftig als Speicher genutzt werden können, um Stromlücken zu schliessen und die Netzstabilität zu erhöhen.
Hinter dem Projekt stehen sieben Unternehmen, wobei das Carsharing-Unternehmen Mobility die Leitung übernimmt und 50 «Honda e» an 40 Standorten in der ganzen Schweiz zur Verfügung stellt. Diese Elektrofahrzeuge speisen Strom aus ihren Batterien ins Netz zurück, wenn sie gerade nicht gefahren werden. Es handelt sich um den ersten grossflächigen Test mit bidirektional-ladenden Serienelektroautos. Dies ermöglicht Erkenntnisse aus unterschiedlichen Bedingungen – sowohl im ländlichen wie auch im urbanen Raum. «Unser schweizweites Flottennetz ist für dieses Pilotprojekt geradezu prädestiniert», sagt Mobility CEO Roland Lötscher.
Elektromobilität als Teil der Lösung
Die grundlegende Idee hinter V2X und dem bidirektionalen Laden ist, dass Elektroautos nicht nur Strom beziehen, sondern auch zurückgeben können. Insbesondere, da Autos im Durchschnitt 23 Stunden pro Tag nur rumstehen. Die sogenannten «Stehzeuge» werden also zu Powerbanks, die sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen lassen, ähnlich einem Stausee. So können Verteilnetzbetreiber und Haushalte quasi den Strom in Spitzenzeiten von den Elektroautos beziehen, während diese sich über den Tag – wenn die Sonne scheint – zu einem günstigeren Tarif wieder komplett aufladen.
Der Anteil Elektrofahrzeuge auf Schweizer Strassen nimmt stetig zu. Einerseits verstärkt die Elektromobilität den Strombedarf, andererseits kann sie durch die V2X-Technologie Teil der Lösung sein. Diese fördert die allgemeine Netzstabilisierung sowohl für Verteilnetzbetreiber wie auch für swissgrid (nationale Netzbetreiberin). Stromanbieter können Schwankungen zukünftig besser ausgleichen, Engpässe im Verteilnetz minimieren, teure Netzausbauten verringern und Strommangellagen verhindern. Die Potenziale sind riesig, müssen aber effizienter genutzt werden.
Dauerbetrieb ist denkbar
Die Resultate aus dem einjährigen Testbetrieb werden der V2X-Technologie den nötigen Schub verleihen, ist Marco Piffaretti, Projektleiter von «V2X Suisse» und Elektromobilitätsexperte bei Mobility überzeugt. «Wir erhalten die dringend nötigen Erfahrungen, um die technischen und regulatorischen Herausforderungen rund um das bidirektionale Laden meistern zu können.» Das Projekt ist so ausgerichtet, dass es bei einem Erfolg direkt in einen Dauerbetrieb überführt werden kann. (mc/pg)
Weitere Informationen zum Projekt
«V2X Suisse»: Technische Details
Hinter «V2X Suisse» stehen sieben Unternehmen, wobei der Projektlead bei Mobility liegt. Zudem dabei: Automobilhersteller (Honda), Software-Entwickler (sun2wheel), Ladestationen-Entwickler (EVTEC), Aggregatoren (tiko), wissenschaftliche Begleitung (novatlantis, in Zusammenarbeit mit der ETH). Das Projekt wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie BFE unterstützt. Mobility rüstet in den nächsten Wochen 40 Standorte mit 50 Honda e Elektroautos aus (bidirektional bis max. ± 20kW). Es kommen zwei verschiedene Arten von Ladestationen zum Einsatz: einerseits spezifisch für dieses Projekt entwickelte, bidirektionale DC-Ladestationen von EVTEC mit doppeltem und kombinierbarem CCS (Combined Charging System) Ausgang, andererseits bidirektionale Honda Power Manager DC-Ladestationen mit einfachem CCS-Ausgang. Beide sind mit Rundsteuerempfängern für die Verteilnetzbetreiber sowie mit einer digitalen Schnittstelle ausgestattet. Über die sun2wheel Cloud-to-Cloud-IT-Plattform wird bei jedem Mobility-Elektroauto die verfügbare Leistung im Viertelstunden-Takt verwaltet, um eine Abrechnung zu ermöglichen/kontrollieren.