Die Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau gibt einen repräsentativen Einblick in einen spannenden Randbereich der Kunst. Anhand von fast vierhundert Werken aus der Sammlung Korine und Max E. Ammann wird aufgezeigt, was Aussenseiterkunst heute sein kann.
Die Aussenseiterkunst bildet im Kunstsystem eine kleine, in sich geschlossene Welt. Sie ist ein Ort des Fantastischen, des Querdenkens und des Tabubruchs. Hier öffnen sich Blicke auf fremde Welten – manchmal kleine, manchmal grosse – die sich ganz anders, gleichsam durch fremde Augen gesehen, präsentieren.
Jeroen Pomp; Der Sänger Frans Bauer, 2004. Buntstift auf Papier, 50 x 65 cm
Welche Pänomene, welche Werke genau der Begriff «Aussenseiter» umschreiben soll, darüber herrscht keine Einigkeit, und oft ist darauf hingewiesen worden, dass dieser Begriff eine abwertende Bewertung enthalte. Aber es gibt sie, diese besondere Szene, in der sich ausgehend von der Naiven Kunst und der Art Brut vielfältige Formen des freien Ausdrucks am Rande der Kunst entwickelt haben. Es existieren spezialisierte Galerien, Museen und Zeitschriften, die sich mit diesem Themenfeld beschäftigen, und mit einer gewissen Regelmässigkeit entdeckt die Kunst, was an ihren Rändern an Interessantem sich ereignet.
Helmut (Nimczewski); Dom Hamburg, 1992. Buntstift auf Papier, 42 x 47 cm
Vor über zwanzig Jahren haben sich Korine und Max E. Ammann der Kunst von Aussenseitern zugewandt und begonnen, auf der ganzen Welt deren Werke zu sammeln. Heute umfasst ihre Sammlung über fünftausend Werke und bietet eine einzigartige Chance für eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Phänomen «Aussenseiterkunst». Auf der einen Seite sind in der Sammlung weltbekannte Klassiker der Aussenseiterkunst vertreten, deren Werke die Vorstellung dessen, was Art Brut, was Naive Kunst, was Volkskunst sein kann, entscheidend prägen.
Carlo Zinelli, Menschen, 1959, Tempera auf Papier, 35 x 50 cm © Fondazione Culturale Carlo Zinelli
So finden sich Werke von weltbekannten Exponenten der Art Brut wie Adolf Wölfli, Scottie Wilson und Aloise oder aber eine Auswahl der besten bäuerlichen Naiven der Ostschweiz, darunter Fritz Frischknecht oder Josef Brunner. Zum andern aber lassen sich unter den über fünftausend Werken Entdeckungen machen, die einen neuen, frischen Blick auf die Aussenseiterkunst erlauben. So etwa die Werke des Franzosen Jean Tourlonias, der den stolzen Sammler am Steuer seines Volvos zeigt, oder die Textbilder eines Jakob Morf oder des Belgiers Michel Dave. Dieses Nebeneinander von Bekanntem und Neuem öffnet Perspektiven, die es ermöglichen, die Aktualität dieser Szene und dieses Begriffs in seiner ganzen Spannbreite zu fassen.
Weltensammler ist eine Ausstellung, in der sich mit an die vierhundert Werken von über hundertzwanzig Künstlerinnen und Künstlern ein reiches Kaleidoskop an unterschiedlichsten Bildern aufspannt.
Eingeteilt in sieben Themenfelder entfaltet sich eine Kunstwelt, in der Intensität wichtiger ist als Perfektion oder das systematische, formale Experiment. Es zeigen sich Bildfindungen, die sich nicht an Konventionen, sondern an Ausdrucksbedürfnissen orientieren. Diese Freiheiten führen immer wieder zu erstaunlichen Bildwelten, die ein breites Publikum zu faszinieren vermögen.
Der Sammler
Der in Ermatingen aufgewachsene Max E. Ammann erwarb bereits mit 18 Jahren sein erstes Kunstwerk. Es ist eine Arbeit des Thurgauer Malers Ernst Graf, die bis heute Teil seiner Sammlung geblieben ist, wenngleich es sich nicht um das Werk eines Aussenseiters handelt. Zur Kunst der Aussenseiter ist der heute 70-jährige Wahlberner erst über Umwege gekommen. In den Sechzigerjahren arbeitete er als Auslandskorrespondent für verschiedene Schweizer Zeitungen in New York. Hier lernte er Künstler wie Andy Warhol, Larry Rivers oder Helen Frankentaler kennen. Für den Kauf von Kunstwerken stand aber kein Geld zur Verfügung.
Zur Ausstellung erscheint im Benteli Verlag ein 400-seitiges Buch, das die Sammlung umfassend vorstellt. Texte von Max E. Ammann führen ein in die Künstlerpersönlichkeiten und Sammlungsstrategien vor. Ein Text des Direktors des Kunstmuseums Thurgau, Markus Landert, umreisst anhand der Sammlungsbestände den Begriff der Aussenseiterkunst heute. Verkaufspreis im Buchhandel SFr. 78.-. Im Kunstmuseum Thurgau während der Ausstellung SFr. 68.-. (kmt/mc/th)