Einst galten manche Viertel der spanischen Stadt Valencia als tabu. Verfall, Drogen, Ladensterben. Heute bestimmen futuristische Bauten und ökologische Ziele das Bild der Metropole – aber Traditionen werden nicht vergessen.
Am liebsten ist David im Morgengrauen unterwegs, nachdem die letzten Nachtschwärmer die Kneipen und Bars der Altstadt verlassen haben. Wenn die Reisebusse noch keine Urlauber vor dem mächtigen, mittelalterlichen Stadttor Torres de Serranos ausgespuckt haben und bevor die Cafébesitzer ihre Sonnenschirme auf der Plaza de la Virgen aufspannen. Jenem Platz, an dem die Römer vor rund 2000 Jahren Valencia gegründet haben und wo heute ein figurengeschmückter Brunnen sprudelt.
Im Morgengrauen hat David de Limón das Barrio del Carmen, das älteste Viertel der Mittelmeermetropole, für sich. Doch David zieht es nicht zu den herrschaftlichen Gebäuden, nicht zu der Kathedrale, in der sich grosse Architekturgeschichte – die Romanik, die Gotik und der Barock – auf kleinstem Raum zeigt. Nicht zu den Museen voller römischer Ruinen oder moderner Kunst.
Ihn zieht es hinein in das Geflecht unzähliger Gassen und verwinkelter Strässchen, die das Viertel prägen. Das Strassenlabyrinth der Altstadt ist der Kiez des 40-Jährigen, der sich als Street-Artist einen Namen gemacht hat. Seine Werke zieren Mauern und Vorsprünge, alte Fassaden und manchmal auch die Fronten von Cafés oder Geschäften – wenn er damit beauftragt wurde.
Die meisten seiner Motive zeigen eine schwarz gekleidete, maskierte Person, oftmals geziert mit einem roten Herz, hin und wieder mit einer Sprühdose in der Hand: ein Street-Art-Künstler, der sich wie David hier und da in der Altstadt blicken lässt.