Bern – Vom 19. Oktober 2024 bis 16. Februar 2025 präsentiert das Zentrum Paul Klee im Rahmen seiner Dauerausstellung einen thematischen Schwerpunkt zu den Zeitschriften der Avantgarde. Anhand von rund 150 Exponaten wird die Zeitschrift als künstlerisches Experimentierfeld in den Fokus gerückt.
Im frühen 20. Jahrhundert wurden Zeitschriften zu einem wichtigen Medium in der Kunst – vom Futurismus über den Dadaismus bis zum Surrealismus und darüber hinaus. Die Fokus-Ausstellung Zeitschriften der Avantgarde stellt 15 sehens- und lesenswerte Zeitschriftentitel vor und thematisiert darüber hinaus die inhaltlichen und gestalterischen Aspekte der Zeitschrift als künstlerisches Experimentierfeld.
In den 1910er-Jahren entwickelte sich in Europa das Phänomen der künstlerischen «Avantgarde». Zwischen 1910 und 1933 entstanden zahlreiche Strömungen, von denen viele eigene Zeitschriften herausgaben, um für ihre Vision von Kunst und Gesellschaft zu werben und auf sich aufmerksam zu machen. Heute gehören Zeitschriften mit Titeln wie MERZ, Cabaret Voltaire, Sturm, Kentiku Sekai oder Habitat zu den bedeutendsten Dokumenten der globalen Moderne.
Besonders faszinierend ist ihre oft äusserst innovative Gestaltung: Viele Avantgarde-Zeitschriften nutzten Design und Typografie als Möglichkeit, radikale Ideen und Konzepte visuell erfahrbar zu machen. Sie griffen auf ausdrucksstarke Schriften, Farben und Formen zurück und arbeiteten mit spannungsreichen Kompositionen aus Text und Bild, um Dynamik und den Bruch mit der Tradition zu signalisieren. Das macht sie zu Vorläufern der modernen visuellen Kommunikation und der Werbegestaltung, die mit denselben Prinzipien arbeitet. Neu war auch, dass viele Avantgarde-Zeitschriften mehrsprachig erschienen oder Inhalte in unterschiedlichen Sprachen enthielten. Diese Mehrsprachigkeit widerspiegelt die Lebensrealität vieler Vertreter der künstlerischen Moderne, die unter anderem während der Zeit der Weltkriege im Exil lebten oder Migranten waren. Avantgardistisch gesinnte Künstler waren oft weltweit vernetzt und schmiedeten und pflegten länderübergreifende Allianzen.
Eigene Zeitschriften herauszugeben oder sich in Form von Texten daran zu beteiligen hatte für die beteiligten Künstler viele Vorteile. Der wichtigste war, die eigenen Theorien und Werke sichtbar zu machen und in der Kunstwelt zirkulieren zu lassen. Denn die meisten Avantgarde-Zeitschriften wurden vorwiegend von anderen Kulturschaffenden oder Sammler gelesen, kaum vom «breiten» Publikum. Es überrascht deshalb nicht, dass viele wichtige Titel eng mit zentralen Protagonisten der modernen Kunst verbunden sind, so zum Beispiel mit dem Berliner Galeristen Herwarth Walden, dem Künstler Tommaso Filippo Marinetti oder Le Corbusier.
Ein interessantes Detail, das sich bei vielen Avantgarde-Zeitschriften finden lässt, sind die Werbeseiten für andere Avantgarde-Zeitschriften. Deren Programm unterschied sich teilweise zwar stark, aber oft gibt es trotzdem einen gemeinsamen Nenner – nämlich die Forderung des radikalen Neubeginns, die Ablehnung des kulturellen und institutionellen Establishments, den Mut zur Selbstbehauptung und die Lust am Experiment. (ZPK/mc/pg)